1. Die Connor Boys: Komm ich zeig dir wie man liebt
und wunderte sich eigentlich nicht, dass Gordon nicht da war.
Frauen gegenüber war er sehr zurückhaltend, das hatte sie schon bemerkt.
Ihr wurde warm ums Herz, wenn sie an ihre erste Begegnung vor ein paar Tagen dachte. Er hatte zwar betont, dass er kein Essen wolle, es dann aber verschlungen, als wäre er halbverhungert gewesen. Er war eben kein Mann, der so einfach Hilfe annahm. Sie verstand diese Art von Stolz.
Kirstin war sich jetzt sicher, dass er sie nicht hatte küssen wollen. Aber einen kurzen Moment lang an der Tür, als er sie so angesehen und die Hand gehoben hatte, da hatte sie es schon fast geglaubt. Sie hatte ihm angmerkt, dass er einsam war, dass er Bedürfnis nach Gesellschaft hatte. Das erinnerte sie wieder an eine Begebenheit. Vor langer Zeit war einmal ein streunendes Wolfsjunges in den Garten ihres Vaters gelangt. Offenbar hatte es Hunger gehabt, erbärmlich gefroren und verzweifelt Schutz gesucht. Ihr Vater hatte ihm zu fressen hingestellt, doch es war zu ängstlich gewesen und hatte es nicht ange rührt, hatte sich gehütet, sich auf irgend etwas einzulassen, was von den Menschen kam. Gordon verhielt sich wie dieses Wolfsjunge.
Vor ihr brauchte er sich nicht zu fürchten, sie würde ihm bestimmt nichts tun, aber offensichtlich brauchte er Zeit, um das herauszufinden. Sie summte vor sich hin, und während sie sich die Ärmel hochkrempelte, schaute sie wieder auf den Tisch. Die zweihundert Dollar,
die er dort hingelegt hatte, sollten wohl ein Scherz sein. Darüber musste sie noch mit ihm reden, aber zunächst schaute sie sich einmal um.
Im Kühlschrank befand sich ein Salatkopf, ein halber Liter Milch und etwas Aufschnitt. In einem der Küchenschränke standen ein paar Dosen Spaghetti und ähnliche Nudelgerichte. Das war es, bis auf Kaffee und einer neuen, noch nicht angebrochenen Flasche Alkohol. Brandy diesmal, kein Scotch.
Sie verließ die Küche und schaute in ein Zimmer nach dem anderen. Sie schüttelte missbilligend den Kopf. Nirgends sah es anders aus als vor fünf Tagen. Er aß nichts, zumindest nichts Ordentliches, und er hatte keines der Schutzlaken von den Möbeln genommen oder irgendwo gelüftet. Scheinbar schlief er im Empfangsraum, weil dort eine Decke und ein Kissen auf dem Sofa lagen. Kein Schlafsack, nur eine raue Wolldecke. Und das bei den herrlichen Räumen, die sich oben befanden.
Die Hausfrau in ihr regte sich. Hier gab es viel zu tun, jedes Fenster musste geputzt, alle Böden geschrubbt, sämtliche Vorhänge gewaschen und die Möbel abgestaubt werden. Das konnte nicht alles auf einmal erledigt werden. Aber sie würde sich einen Raum nach dem anderen vornehmen. Heute wollte sie mit der Küche anfangen, und hinterher würde sie dafür sorgen, dass er ein richtiges Schlafzimmer bekam.
Zwei Stunden später hatte Gordon sich noch immer nicht blicken lassen, aber das spielte für Kirstin keine Rolle. Fröhlich singend stieg sie die Treppe hinauf und schleppte ihren Handwerkskasten und einen Stapel Bettwäsche mit. Die Wäsche war noch warm vom Trockner. Der Flur oben war so lang wie eine Bowlingbahn, dunkel und finster, mit einem kostbaren Parkettboden, der aber seit Jahren vernachlässigt worden war. Sechs Schlafzimmer und zwei Bäder lagen auf diesem Gang. Sie wusste genau, welches sie herrichten wollte.
Das Schlafzimmer war sehenswert. Große Terrassentüren führten auf die Veranda, von der man einen herrlichen Ausblick auf den alten Leuchtturm und den Atlantik hatte. Ein riesiges Himmelbett nahm den meisten Platz ein und stand leicht erhöht auf einem Podest. Mit dem richtigen Mann könnte man sich schon in diesem Bett vergessen, dachte Kirstin. Die Federkernmatratze war so dick, dass man darin förmlich versank.
Der Perserteppich war alt, aber noch gut erhalten. In einer Ecke befand sich eine üppig bemalte spanische Wand mit einem goldumrandeten Standspiegel dahinter. Kirstin konnte sich gut vorstellen, wie eine Frau sich hinter dieser Wand entkleidete, während ihr Liebster ungeduldig in dem Himmelbett auf sie wartete. Sie zog weitere Abdecklaken beiseite und fand darunter ein rotes Brokatsofa, eine hohe Frisierkommode mit einem thronähnlichen, samtgepolsterten Sessel.
Sie hielt einen Moment inne und schaute sich in dem Zimmer um. In den vielen alten Häusern, in denen sie gearbeitet hatte, war sie nie auf ein erotisch anregenderes Schlafzimmer gestoßen als dieses hier. Der Raum bot einen geradezu verschwenderischen Luxus. Bei der Einrichtung musste sie
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