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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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Beute wird.
    »Nein«, sagte ich. »Das nun wirklich nicht.«
    »Zugegeben, er war schuldig«, räumte Kostja freiheraus ein. »Aber warum musste er sterben? Er hätte vor Gericht gehört. Das Tribunal, ein Anwalt, eine Anklage – das wäre anständig gewesen.«
    »Und es wäre auch anständig gewesen, die Menschen aus unseren Angelegenheiten herauszuhalten!«, brüllte ich. Und zum ersten Mal reagierte Kostja nicht auf diesen Ton.
    »Du warst zu lange ein Mensch!«
    »Was ich nicht im Geringsten bereue!«
    »Warum hast du ihn umgebracht?«
    »Sonst hätte er mich umgebracht!«
    »Er hätte dich initiiert!«
    »Noch schlimmer!«
    Kostja verstummte. Schob die Tasse weg und stand auf. Ein völlig durchschnittlicher, kecker, dabei aber krankhaft moralischer junger Mann.
    Nur eben ein Vampir.
    »Ich geh jetzt …«
    »Warte.« Ich ging zum Kühlschrank. »Nimm das, ich hab’s bekommen, hab’s aber nicht gebraucht.«
    Zwischen den Wasserflaschen der Marke Borshomi zog ich ein paar Fläschchen mit je zweihundert Gramm Spenderblut hervor.
    »Nicht nötig.«
    »Kostja, mir ist doch klar, dass genau das euer ewiges Problem ist. Ich brauch es nicht. Nimm es.«
    »Willst du mich kaufen?«
    Langsam kochte Wut in mir hoch. »Wozu sollte ich denn?! Es wäre bescheuert, es wegzukippen, das ist alles! Das ist Blut. Menschen haben es gespendet, um jemandem zu helfen!!«
    Plötzlich musste Kostja grinsen. Er streckte die Hand aus, nahm ein Fläschchen, entkorkte es und zog die Blechkappe geschickt und ohne Schwierigkeiten ab. Dann setzte er die Flasche an die Lippen. Grinste noch einmal und nahm einen Schluck.
    Noch nie hatte ich gesehen, wie sie trinken. Ehrlich gesagt, habe ich mich auch nicht darum gerissen.
    »Hör auf!«, sagte ich. »Lass diesen Blödsinn!«
    Kostjas Lippen waren voller Blut, ein dünnes Rinnsal lief ihm über die Wange. Das heißt, es floss nicht einfach nur, sondern wurde von der Haut aufgesogen.
    »Ist es dir unangenehm zu sehen, wie wir trinken?«
    »Ja.«
    »Heißt das, dass auch ich dir unangenehm bin? Oder wir alle?«
    Ich schüttelte den Kopf. Um diese Frage hatten wir immer einen Bogen gemacht. Das war bequemer.
    »Kostja … du brauchst Blut, um zu leben. Und manchmal muss es eben Menschenblut sein.«
    »Wir leben gar nicht.«
    »Ich meine das in einem allgemeineren Sinne. Damit ihr euch bewegen könnt, damit ihr denken, sprechen, träumen könnt …«
    »Was gehen dich die Träume von Vampiren an?«
    »Hör mal, mein Junge, auf der Welt leben etliche Menschen, die ständig auf Bluttransfusionen angewiesen sind. Es sind nicht weniger als ihr. Dazu noch Notfälle. Deshalb gibt es die Blutspende, deshalb ist sie anerkannt und gefördert … Du brauchst nicht darüber zu lachen. Ich weiß, was ihr für die Entwicklung der Medizin geleistet habt, wie unermüdlich ihr zu Blutspenden aufgerufen habt. Kostja, wenn irgendjemand auf fremdes Blut angewiesen ist, um leben … um existieren zu können, dann ist das kein Unglück. Und wohin es kommt, ob in die Adern oder in den Magen, ist ebenfalls zweitrangig. Die Frage ist nur, wie du es bekommst.«
    »Das sind schöne Worte«, schnaubte Kostja. Ich hatte den Eindruck, er tauchte kurz ins Zwielicht ein, um gleich darauf wieder in die Realität zurückzukehren. Er wuchs, der Junge wuchs. Und gewann an echter Kraft. »Gestern hast du dein wahres Gesicht gezeigt, was uns angeht.«
    »Das stimmt nicht …«
    »Hör doch auf …« Er stellte das Fläschchen wieder hin, dachte kurz nach und hielt es dann über das Spülbecken. »Wir können auf deine …«
    In meinem Rücken erklang ein Schrei. Ich drehte mich um: Die Eule, die ich erfolgreich vergessen hatte, hatte Kostja den Kopf zugedreht und die Flügel ausgebreitet.
    Nie zuvor hatte ich einen derartigen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen.
    »Aber …«, sagte er. »Aber …«
    Die Eule legte die Flügel an und schloss bis auf einen Spalt die Augen.
    »Olga, wir führen hier ein ernstes Gespräch!«, brüllte ich. »Lass uns noch eine Minute …«
    Der Vogel reagierte nicht. Kostja ließ den Blick von mir zur Eule und wieder zurück wandern. Dann setzte er sich hin und faltete die Hände im Schoß.
    »Was hast du?«, fragte ich.
    »Darf ich gehen?«
    Er war nicht einfach erstaunt oder erschrocken, er war zutiefst schockiert.
    »Geh nur. Aber nimm die …«
    Hektisch raffte Kostja die Flaschen zusammen und stopfte sie sich in die Taschen.
    »Nimm dir eine Tüte, du Blödmann! Nachher begegnet dir noch jemand im

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