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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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meine Papiere. Zweimal belästigten mich ein paar verrückte Jugendliche, die mir völlig umsonst, für lächerliche fünfzig Bucks, einen chinesischen Föhn, Kinderspielzeug und ein billiges Handy aus Korea schenken wollten.
    Irgendwann riss mir der Geduldsfaden. Ich verscheuchte den nächsten aufdringlichen Händler und nahm eine Remoralisation an ihm vor. Eine leichte, hart an der Grenze des Erlaubten. Vielleicht würde der Kerl sich danach eine andere Arbeit suchen. Vielleicht auch nicht …
    Genau in dem Moment packte mich jemand an den Ellbogen. Gerade eben noch war absolut niemand in meiner Nähe gewesen – jetzt hatte sich hinter mir ein Pärchen aufgebaut. Eine sympathische junge Frau mit rotem Haar und ein kräftiger Typ mit finsterer Miene.
    »Ganz ruhig«, sagte die Frau. Von den beiden hatte sie das Sagen, das erfasste ich sofort. »Tagwache.«
    Beim Licht und beim Dunkel!
    Schulterzuckend sah ich sie an.
    »Name«, verlangte die Frau zu wissen.
    Es hätte keinen Sinn gehabt zu lügen, denn meine Aura hatten die beiden schon längst aufgenommen, sodass meine Identifizierung nur eine Frage der Zeit gewesen wäre.
    »Anton Gorodezki.«
    Sie warteten.
    »Anderer«, gab ich zu. »Mitarbeiter der Nachtwache.«
    Sie gaben meine Ellbogen frei. Und traten sogar einen Schritt zurück. Betreten sahen sie jedoch nicht aus.
    »Gehen wir ins Zwielicht«, befahl der Mann.
    Anscheinend waren sie keine Vampire. Immerhin etwas. Das ließ auf eine gewisse Objektivität hoffen. Ich seufzte und wechselte von einer Realität in die andere.
    Die erste Überraschung bestand darin, dass das Pärchen tatsächlich jung war. Die Hexe musste fünfundzwanzig Jahre alt sein, der Hexer dreißig, genau wie ich. Im Notfall würde ich mich vermutlich sogar an ihre Namen erinnern, denn Ende der Siebziger waren nur wenig Hexen und Hexer geboren worden.
    Die zweite Überraschung bestand darin, dass die Eule nicht mehr auf meiner Schulter saß. Genauer gesagt, sie saß schon da. Ich spürte ihre Krallen und konnte sie sehen, allerdings nur, wenn ich mich anstrengte. Offenbar hatte der Vogel zusammen mit mir die Realität gewechselt und war in eine tiefere Schicht des Zwielichts eingedrungen.
    Das wurde ja immer interessanter!
    »Tagwache«, wiederholte die Frau. »Alissa Donnikowa, Andere.«
    »Pjotr Nesterow, Anderer«, brummte der Mann.
    »Haben Sie irgendwelche Probleme?«
    Die Frau durchbohrte mich mit einem »Hexenblick«, wie er im Buche steht. Von Sekunde zu Sekunde gab sie sich freundlicher, betörender. Gegen diese direkte Form der Beeinflussung bin ich natürlich gewappnet, mich zu bezirzen ist unmöglich, doch ihr Auftreten bestach durchaus.
    »Die Probleme haben nicht wir. Anton Gorodezki, Sie haben einen nicht sanktionierten Kontakt mit einem Menschen aufgenommen.«
    »Ja? Und was für einen?«
    »Eine Intervention siebten Grades«, gab sie nur ungern zu. »Geringfügig, aber unbestreitbar. Noch dazu haben Sie ihn zum Licht gedrängt.«
    »Wollen wir ein Protokoll aufsetzen?« Mit einem Mal erheiterte mich die Situation. Siebten Grades – das ist nicht der Rede wert. Das ist eine Handlung an der Grenze zwischen Magie und einer gewöhnlichen Unterredung.
    »Ganz genau.«
    »Und was sollen wir schreiben? Der Mitarbeiter der Nachtwache hat in einem Menschen in geringem Maße eine Abneigung gegen Betrug geschürt?«
    »Und damit das festgelegte Gleichgewicht gestört«, präzisierte der Hexer.
    »Ach ja? Und welchen Schaden nimmt das Dunkel dabei? Wenn der Händler plötzlich mit diesen kleinen Gaunereien aufhört, hat er es zwangsläufig schwerer im Leben. Er wird anständiger, aber unglücklicher. Entsprechend den Kommentaren zum Abkommen über das Gleichgewicht der Kräfte gilt das nicht als Störung des Gleichgewichts.«
    »Spitzfindigkeiten«, warf die Hexe ein. »Sie sind Mitarbeiter der Wache. Was man einem gewöhnlichen Anderen nachsehen kann, ist in Ihrem Fall rechtswidrig.«
    Sie hatte Recht. Ein kleiner Verstoß, aber trotzdem …
    »Er hat mich gestört. Im Zuge einer Ermittlung habe ich das Recht auf magische Intervention.«
    »Sind Sie denn im Dienst, Anton?«
    »Ja.«
    »Und warum am Tag?«
    »Ich habe eine Spezialaufgabe. Sie können sich das von der Leitung bestätigen lassen. Genauer, Ihre Leitung kann sich das bestätigen lassen.«
    Die Hexe und der Hexer sahen sich an. Auch wenn unsere Ziele und unsere Moral völlig entgegengesetzt waren, arbeiteten unsere Büros doch zusammen.
    Und ehrlich gesagt, keiner von

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