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1 - Wächter der Nacht

1 - Wächter der Nacht

Titel: 1 - Wächter der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Lukianenko
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geflitzt war, ohne vorher nach links oder rechts zu schauen. Und die schwache Hoffnung, am Morgen möge sich alles als Traum erweisen, hatte sich nicht erfüllt.
    Es war alles wahr. Wahr und unmöglich. Aber …
    Es war gestern passiert. Ihm.
    Er war noch spätabends unterwegs gewesen, gewiss, doch manchmal kam er sogar noch später nach Hause. Selbst seine Eltern, die nach Jegors fester Überzeugung bis heute nicht begriffen hatten, dass er mittlerweile fast dreizehn war, nahmen das gelassen hin.
    Als er mit seinen Freunden aus dem Schwimmbad gekommen war – gut, da war es schon zehn. Sie waren alle zusammen bei McDonald’s reingestürmt, wo sie rund zwanzig Minuten geblieben waren. Auch das nicht ungewöhnlich, denn jeder, der es sich leisten konnte, ging nach dem Training dorthin. Danach … danach waren sie alle zusammen zur Metro gegangen. Das war nicht weit. Über eine helle Straße. Zu acht.
    Bis dahin lief alles wie immer.
    In der Metro war er dann irgendwie nervös geworden. Er hatte auf die Uhr gesehen und sich nach den anderen Fahrgästen umgeschaut. Doch da war nichts Verdächtiges.
    Bloß, dass Jegor Musik hörte.
    Und dann begann das, was nicht sein konnte.
    Aus irgendeinem Grund war er in einen dunklen, stinkenden Tordurchgang getreten. War auf eine Frau und einen Mann zugegangen, die dort auf ihn warteten. Die ihn zu sich lockten. Freiwillig hatte er der Frau seinen Hals hingehalten, ihn ihren dünnen scharfen Zähnen dargeboten, die nichts Menschliches an sich hatten.
    Selbst jetzt, zu Hause, allein, spürte Jegor die Kälte – diesen süßen, betörenden Kitzel, der über seine Haut lief. Er hatte es doch gewollt! Hatte Angst gehabt, aber dennoch gewollt, dass die funkelnden Eckzähne ihn berührten, den kurzen Schmerz, dem … dem … dem etwas folgen würde … wahrscheinlich …
    Und niemand auf der ganzen Welt konnte ihm helfen. Jegor erinnerte sich an den Blick der Frau, die die Hunde Gassi führte. Ein Blick, der durch ihn hindurchging, wachsam, aber keinesfalls gleichgültig. Angst empfand sie keine, denn sie sah einfach nicht, was hier geschah … Einzig und allein das Auftauchen des dritten Vampirs hatte Jegor gerettet. Dieser blasse Typ mit dem MD-Player, der sich ihm schon in der Metro an die Hacken geklebt hatte. Seinetwegen waren die beiden anderen ausgerastet wie ausgewachsene hungrige Wölfe, die sich um einen gehetzten, aber noch nicht getöteten Hirsch schlugen.
    An diesem Punkt wirbelte alles durcheinander, lief viel zu schnell ab. Geschrei von irgendeinem Vertrag und von irgendeinem Zwielicht. Ein blauer Lichtblitz – und ein Vampir zerfiel vor seinen Augen zu Staub, genau wie im Kino. Das Aufheulen der Vampirin, nachdem der Mann ihr etwas ins Gesicht gespritzt hatte.
    Und seine panische Flucht …
    Und die schreckliche Erkenntnis, noch schrecklicher als das, was er eben erlebt hatte: Er durfte niemandem etwas davon sagen. Man würde ihm nicht glauben. Ihn nicht verstehen.
    Vampire gibt es nicht!
    Man kann nicht durch Menschen hindurchblicken, ohne sie zu bemerken!
    Niemand verbrennt in einem Wirbel aus hellblauem Feuer, verwandelt sich darin in eine Mumie, ein Skelett, einen Aschehaufen!
    »Das stimmt nicht«, sagte Jegor sich selbst. »Es gibt sie. Es ist möglich. Es kommt vor!«
    Doch sogar sich selbst konnte er kaum glauben …
    Er war nicht in die Schule gegangen, räumte dafür aber jetzt die Wohnung auf. Er wollte etwas tun. Hin und wieder trat Jegor ans Fenster und spähte angespannt in den Hof.
    Nichts, was verdächtig gewesen wäre.
    Aber würde er sie überhaupt sehen können?
    Sie würden kommen. Daran zweifelte Jegor nicht eine Sekunde. Sie wussten, dass er sich an sie erinnerte. Jetzt würden sie ihn als Zeugen umbringen.
    Und nicht einfach nur umbringen! Sie würden sein Blut trinken und einen Vampir aus ihm machen.
    Der Junge ging zum Bücherschrank, in dem die Hälfte der Regale mit Videokassetten voll gestellt war. Vielleicht würde er hier Rat finden. Dracula – Tot und unzufrieden. Nein, das war eine Komödie. Einmal beißen bitte. Völliger Quatsch. Die rabenschwarze Nacht – Fright Night. Jegor erschauerte. An den Film erinnerte er sich noch gut. Jetzt würde er sich erst recht nie wieder trauen, ihn anzusehen. Aber wie hieß es darin doch … »Das Kreuz hilft, wenn du daran glaubst.«
    Wie konnte ein Kreuz ihm helfen? Er war ja nicht einmal getauft. Und an Gott glaubte er auch nicht. Zumindest bisher nicht.
    Jetzt sollte er vielleicht besser damit

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