Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Kompensation, mit welcher ich geflissentlicherweise recht haben werde.“
    Man stimmte ihm bei. Es wurde eine kurze Beratung gehalten, deren Ergebnis der Beschluß war, seinem Rat Folge zu leisten. Die in der Außenmauer befindlichen Luftlöcher waren so groß, daß man zwei Flintenläufe nebeneinander in eins derselben stecken und sie als Hebel benützen konnte. Auf diese Weise gelang es, allerdings erst nach stundenlanger Anstrengung, das Bindematerial der Steine so zu lockern, daß man nun mit den Messern fortfahren konnte.
    Darüber verging der Nachmittag. Es war Abend geworden, als endlich der erste Stein aus der Mauer fiel. Der erste! Und wie viele waren noch zu entfernen! Und wie stand es mit den Gefangenen! Sie hatten hier Rast machen und sich erholen wollen; aber es war nach ihrer Ankunft nur Zeit zum Trinken, nicht zum Essen gewesen. Nun waren sie schon über einen Tag gefangen, ohne etwas genossen zu haben. Der Hunger und der Durst stellten sich ein. Das hatte bei den Erwachsenen jetzt noch nicht viel zu sagen, aber die Kinder verlangten nach Speise und nach Trank und konnten nicht leicht beruhigt werden.
    Indem immer je zwei und zwei sich ablösten, wurde die ganze Nacht hindurch an dem Loch gearbeitet; es ging äußerst langsam vorwärts, weil die Mauer so stark und der Mörtel beinahe noch fester als der Stein war. Endlich war man hindurch; ein Stein fiel nach außen. Das kleine Loch, welches dadurch entstanden war, ließ den fahlen Schein des anbrechenden Morgens hereinfallen. Nun ging es rascher; noch eine halbe Stunde und das Loch war so weit, daß ein Mann hinauskriechen konnte.
    „Gewonnen!“ jubelte Frau Rosalie. „Dieses Loch is zwar keene bequeme Passage für eene anschtändige Dame, aber wenn es sich um die Freiheit handelt, krieche ich sogar durch eene Feueresse, wobei man sich doch schpäter wieder abwaschen kann. Jetzt vorwärts, meine Herren! Wer macht voran? Die Höflichkeet erfordert natürlich, daß wir Damen zu allererscht gerettet werden. Darum mache ich den Vorschlag, daß ich den Anfang mache.“
    Sie bückte sich schon, um den Kopf in das Loch zu stecken; aber der Hobble-Frank zog sie zurück und sagte: „Sind Sie denn nich recht gescheit, Madame Eberschbach? Was fällt Ihnen denn ein? Das is nischt für Weiber. Hier müssen die Herren der Schöpfung den Anfang machen.“
    „Wer?“ fragte sie. „Die Herren der Schöpfung? Zu denen rechnen Sie sich wohl ooch mit?“
    „Natürlich!“
    „Na, da tut mir aber die ganze liebe Schöpfung leed. Ich bin eene Dame, eene deutsche Dame vom zusammengeenten deutschen Kaiserreich. Und haben Sie etwa nicht gehört, daß man gegen Damen zuvorkommend sein soll?“
    „Ja, das weeß ich sehr genau und bin es ooch schtets gewesen.“
    „Das machen Sie mir nich weis; verschtehn Se mich! Ich danke dafür, wenn eener, der so unhöflich is, sich ooch noch großartig eenen Herrn der Schöpfung nennt!“
    „Aber ich verschtehe Sie nich, meine liebste, ergebenste Frau Eberschbach! Ich bin doch ganz und gar zuvorkommend gegen Sie!“
    „I, was Sie nich sagen? Wieso denn eegentlich?“
    „Weil ich Ihnen beim Hinauskriechen so pomäle zuvorkommen will. Is das denn nich zuvorkommend?“
    „Oh – oh – oh! Ja, wenn Sie das in dieser Weise meenen, da wenden Sie das Wort ganz falsch an. Sie sollen zuvorkommend sein, indem Sie mich zuvorkommend sein lassen. Können Sie das denn nich begreifen?“
    „Sogar sehr gut. Aber Sie machen's doch ganz verkehrt!“
    „Verkehrt? Wieso?“
    „Na, das Loch da is doch wenigstens fünf Ellen hoch über der darunterliegenden Terrasse. Nich?“
    „Jawohl.“
    „Sie müssen also so hoch hinunterschpringen?“
    „Natürlich!“
    „Können Sie das?“
    „Ich hoffe es. Wenn es sich um meine Freiheit und um mein Leben handelt, schpringe ich, so hoch oder so tief es is.“
    „Mit dem Koppe voran?“
    „Mit dem Koppe? Wie denn anders?“
    „Na, wenn Sie mit dem Koppe fünf Ellen tief unten offliegen, da schtoßen Sie ihn sich so weit in die Achseln hinein, daß er gar nich mehr zu sehen is. Man schpringt doch mit den Füßen, aber nich mit demjenigen Körperteele, in welchem der gesunde Menschenverschtand offbewahrt zu werden pflegt. Also muß man mit den Füßen voran durch dieses Loch kriechen!“
    „Das is aber dennoch verkehrt. Ich habe doch die Oogen nich in den Füßen!“
    „Sehr richtig, wenn Sie nich etwa die Hühneroogen meenen.“
    „Und ich muß mich doch, wenn ich hinauskomme, erscht genau

Weitere Kostenlose Bücher