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Der Eiserne König

Der Eiserne König

Titel: Der Eiserne König Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Henry Eagle
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1. Das grüne Feuer
    Im Morgengrauen kreiste ein Bussard über Flutwidde, dem fruchtbarsten Landstrich Pinafors. Tief unten schlängelte sich die Usse durch Getreidefelder. Dörfer lagen zwischen sanften Hügeln, und auf den Weiden graste Vieh. Nach einer Weile erspähte der Bussard seine Beute: eine Maus, die auf einem Feldweg an einer Kornähre knabberte. Der Greifvogel zog die Kreise enger.
    Die Maus, die den Bussard gerade noch rechtzeitig bemerkte, floh zum Auwald am Ufer der Usse. Sie lief in ihrer Angst tief hinein, huschte durch das Unterholz und hüpfte über Wurzeln, bis sie eine Lichtung erreichte. Dort hielt sie an, weil ein neuer Feind vor ihr auftauchte: Menschen. Sie ließ ihren Blick über die bis an die Zähne bewaffneten Männer gleiten und begann, am ganzen Körper zu zittern, denn der Mensch war das schlimmste Raubtier. Sie duckte sich in das Gras, aber es war zu spät – einer der Männer, ein abseits stehender junger Bursche, reckte den Kopf nach ihr.
    Beim Anblick der Maus, die vor ihm auf der Erde kauerte, musste Hans lächeln. Als er klein gewesen war, hatte sein Vater von ihm verlangt, die Mäuse im Haus zu erschlagen, aber das hatte er nie über das Herz gebracht. Als er den Kopf zurücklegte, um die frische Morgenluft einzuatmen, sah er einen Bussard, der über der Lichtung kreiste. Dann schaute er wieder zu Grimm, der einige Worte an seine Männer richtete. Hans erinnerte sich noch gut an den Tag, als Grimm ihn am Wegrand aufgelesen hatte – damals war er ein Waisenkind gewesen, das bettelnd durch Pinafor gezogen war. Grimm hatte ihn in seine Räuberbande aufgenommen. Anfangs war er Laufbursche und Mädchen für alles gewesen, hatte aber schon bald an Raub und anderen Schandtaten teilgehabt. Er tat nicht alles frohen Herzens, aber die Bande ersetzte ihm die Familie und bot ihm Schutz und Halt. Beute gab es reichlich, denn seit dem Frühjahr schienen die Leute Goldesel im Stall zu haben. Sie ließen die Arbeit liegen und lebten in Saus und Braus. Bauern bestellten die Felder nicht, Schmieden blieben kalt, Werkstätten geschlossen, und auf dem Heerweg war kein Händler mehr unterwegs. Woher das Gold stammte, wusste niemand, aber Pinafor ersoff geradezu darin, und wer genug Mumm in den Knochen hatte, nahm sich, was er wollte.
    »Jetzt sind die Dörfer im Süden der Usse fällig«, verkündete Grimm. »Sobald wir genug geraubt haben, ziehen wir uns in den Greting zurück. Dort wird geteilt.«
    »Im Greting liegt der Eiserne König begraben«, murmelte ein Räuber.
    »Die Hölle sei seiner Seele gnädig«, flüsterte ein anderer.
    »Habt ihr wirklich Angst vor dem Eisernen König?«, fragte Grimm spöttisch. »Er ist seit zwei Jahrhunderten tot. Wir sollten seine Grabkammer plündern – sie birgt sicher viele Schätze.« Er lachte.
    Die abergläubischen Räuber starrten ihn an. Ja, der Eiserne König war tot, seine Schreckensherrschaft lange her, aber er spukte durch Sagen und Legenden und wurde immer noch gefürchtet. Manche hielten ihn für unsterblich und raunten, dass er von den Toten auferstehen werde, um sich Pinafor ein zweites Mal zu unterwerfen.
    Hans war auch beunruhigt, denn er hatte gehört, dass im Greting, dem Sandsteingebirge im Nordwesten Pinafors, Ungeheuer hausten. Er betrachtete Grimm, der grinsend vor ihnen stand, die Daumen hinter den breiten Gürtel gehakt, an dem sieben Messer, ein Schwert und eine Streitaxt hingen. Grimm sorgte gut für seine Männer, vorausgesetzt, sie waren gehorsam, aber er konnte auch jähzornig und brutal sein, und seine Rachsucht war berüchtigt. Hans hatte miterlebt, wie er Menschen gequält und getötet hatte, ohne mit der Wimper zu zucken, und er empfand eine Mischung aus Bewunderung und Angst für seinen Anführer.
    »Ihr tut, was ich sage«, knurrte Grimm. »Oder muss ich euch erst die Hammelbeine langziehen?« Er hob das Schwert und brüllte: »Weiber und Gold! Das Glück sei uns hold!«
    Die Männer erwiderten seinen Ruf. Während sie packten, drehte sich Hans zur Maus um, die ihn immer noch anstarrte.
    Er konnte nicht ahnen, dass das hellsichtige Tier gerade eine Vision hatte: Es sah Hans bei strömendem Regen gegen Grimm kämpfen; es sah, wie er gemartert wurde; wie er kreuz und quer durch Pinafor ritt; wie er sich auf einem Schlachtfeld auf den Angriff schwer gepanzerter Ungeheuer vorbereitete; wie er … Da brachen die Räuber auf, und die Vision der Maus verblasste. Sie sah Hans benommen nach. Den Bussard hatte sie ganz

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