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10 - Der Ölprinz

10 - Der Ölprinz

Titel: 10 - Der Ölprinz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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eine starkknochige Gestalt von sehr männlichem, resolutem Aussehen. Hätte das Feuer heller gebrannt, oder wäre es Tag gewesen, so würde der Kleine bemerkt haben, daß unter ihrer scharf gebauten Nase sich eine dunkle Linie hinzog, welche man beim besten Willen doch nicht anders als einen Schnurrbart nennen konnte.
    „Ja, gucken Sie nur immer her!“ fuhr sie fort, als sie den befremdeten Blick des Westmannes auf sich gerichtet sah. „Es wird nich andersch. Bei Tage wird gefahren und bei Nacht geschlafen. Da könnte jeder kommen und unsre Ordnung über den Haufen werfen!“
    „Aber mein Vorschlag zielt nur auf Ihre Sicherheit, auf Ihren Vorteil hin, liebe Frau“, antwortete Sam.
    „Das machen Sie mir nicht weiß!“ entgegnete sie wegwerfend. „Een ordentlicher Mensch treibt sich nich so mitten in der Nacht und bei solcher Finsterheet in Amerika herum. Ja, wenn's derheeme wär, da ließ ich mersch gefallen; aber in fremden Erdteelen wartet man hübsch ruhig, bis es Tag geworden is. Verschtehen Se mich?“
    „Freilich verstehe ich Sie, liebe Frau; aber ich denke –“
    „Liebe Frau?“ unterbrach sie ihn. „Ich bin gar nich Ihre liebe Frau! Wissen Se, wer ich eegentlich bin und wie ich heeße?“
    „Natürlich sind Sie die Gattin eines dieser vier Gentlemen.“
    „Gentlemen! Reden Se doch deutsch, wenn Se eene deutsche Frau vor sich haben! Ich bin die Frau Eberschbach, geborene Morgenschtern und verwitwete Leiermüllerin. Der da“ – – – dabei deutete sie auf einen der drei jüngeren Auswanderer – „is mein gegenwärtiger Gemahl und Ehemann, Herr Schmiedemeester Ebersbach; so wird's nämlich geschrieben, gesprochen aber Eberschbach. Und daß Sie's gleich von vorn rein wissen, er tanzt nich etwa so, wie Sie pfeifen, sondern er hat sich nach mir zu richten, weil ich elf Jahre älter bin und also mehr Verschtand und Erfahrung haben muß als er. Ich bleibe hier und er folglich ooch. Bei nachtschlafender Zeit wird nich in der Welt herumgefahren.“
    Da keiner der Emigranten eine Entgegnung aussprach, so ließ Sam Hawkens seine lebhaften Äuglein lustig im Kreis herumgehen und meinte dann: „Wenn die Herren gewohnt sind, dieser sehr energischen Lady zu gehorchen, so kann ich allerdings nur bitten, wenigstens für dieses Mal eine Ausnahme zu machen.“
    Er wollte weitersprechen; sie aber fiel ihm schnell in die Rede: „I, was Se nich sagen! Eene Ausnahme! Als ob ich mer das gefallen ließe! Da kennen Se mich schlecht! Was gucken Se mich denn so an? Se brauchen keen solches Gesicht zu machen. Wissen Se, ich bin's, nach der man sich hier zu richten hat, ich; verschtehn Se mich? Wer hat denn die ganzen Kosten bezahlt? Für die Überfahrt und nachher ooch für den Landweg bis hierher? Und wer wird noch weiter herborgen müssen? Ich! Ich bin's Kapital! Jetzt wissen Se alles, und nun woll’n mer wieder schlafen gehn!“
    Wieder sagte keiner der Männer ein Wort dagegen, selbst Schmidt nicht, der doch der Anführer zu sein schien und vor Abend gegen Sam so kräftig aufgetreten war. Darum stand dieser letztere vom Feuer, an welchem er gesessen hatte, auf und sprach in gleichgültigem Ton: „Ganz wie Sie wollen. Sagen wir also gute Nacht, wenn ich mich nicht irre. Es ist das letzte Mal, daß Sie es tun, denn ich bin überzeugt, daß der heutige Schlaf Ihr letzter ist, hihihihi!“
    Er wendete sich zum Gehen; da stand die Frau auch schnell auf, hielt ihn am Arm fest und fragte: „Unser letzter Schlaf? Wie meenen Se das, Sie kleenes Männchen Sie?“
    Sie war allerdings, als sie so neben ihm stand, um einen Kopf länger als er. Er tat, als hätte er diese Bezeichnung nicht gehört, und antwortete: „Ich meine, daß Sie früh nicht wieder aufwachen werden.“
    „Warum denn nich?“
    „Weil Sie tot sein werden.“
    „Tot? Das fällt mir gar nich ein! Frau Rosalie Eberschbach schtirbt noch lange nich!“
    „Glauben Sie, daß die zwölf Vagabunden, mit denen Sie es zu tun haben, gesonnen sein werden, sich nach Frau Rosalie Ebersbach zu richten?“
    „Die können uns nischt tun; die sind gefangen und gebunden, wie Sie uns erzählt haben.“
    „Sie werden sich aber frei machen und über Sie herfallen, sobald ich mich mit meinen beiden Kameraden aus der Schenke entfernt habe.“
    „Sie wollen sich entfernen, wollen fort?“
    „Natürlich!“
    „Wohin?“
    „Nach Tucson.“
    „Warum aber denn? Es is doch eegentlich Ihre Pflicht, diese Gefangenen zu bewachen, bis wir uns in Sicherheet befinden! Was

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