10 - Der Ölprinz
fliehen müssen?“
„Dann wären Eure beiden Gefährten bei Euch. Ohne die flieht Ihr gewiß nicht, also meine ich, weil sie im Dorf geblieben sind, daß es dort gut stehe. Kommt herein, Sir; steigt über diese Wagendeichsel!“
„Bin zu klein dazu; will lieber drunterweg kriechen.“
Sam bemerkte, daß man mit den Wagen ein Viereck gebildet und die Tiere in dasselbe getrieben hatte. Sein Rat war also befolgt worden, doch leider erst dann, als man durch Schaden klug geworden war. Der, welcher die Wache gehabt und ihn angerufen hatte, streckte ihm die Hand zum Gruß entgegen. Es war Schi-So, der Indianerhäuptlingssohn. Er hatte im reinsten Englisch gesprochen. Jetzt fragte ihn Sam: „Hoffentlich sprechen Sie deutsch, junger Freund, da Sie sechs Jahre in Deutschland gewesen sind?“
„Ziemlich gut.“
„So lassen Sie uns die Schläfer wecken und deutsch sprechen, da sie Deutsche sind. Doch horch! Wer kommt da?“
Sie horchten in die Nacht hinaus. Man hörte Pferdegetrappel vom Dorf her.
„Ein Reiter ist's, ein einzelner“, flüsterte Schi-So. „Wer mag das sein?“
„Es ist kein Reiter; diesen Hufschlag kenne ich sehr genau. Es ist meine alte, gute Mary, welche mir nachgelaufen kommt. Sie kennen sie von früher her?“
„Ja, ich kenne sie. Aber bitte, sagen Sie nicht Sie, sondern Du zu mir! Ich bin Indsman und will ein solcher bleiben und den Gewohnheiten meines Stammes nicht untreu werden.“
„Recht so, mein Junge! Bist also da drüben nicht stolz geworden? Da wird der alte Sam dich lieb behalten. Hast mir viel zu erzählen, doch ist jetzt nicht die Zeit dazu; müssen es für später aufheben.“
Das Maultier kam bis an die Wagendeichsel heran, an welcher Sam noch immer stand, und rieb den Kopf an seiner Schulter. Durch das laute Sprechen waren die Schläfer wach geworden; sie kamen herbei, um zu fragen, wer gekommen sei, sie konnten Sam nicht sehen, weil das Feuer verloschen war. Er wurde von Schmidt ganz anders empfangen als beim ersten Mal und erteilte die Weisung, daß es wieder angebrannt werden solle. Als das Feuer den Platz beleuchtete, verlangte er zunächst, die Namen der Anwesenden kennenzulernen. Schi-So stellte ihm die Personen vor. Die drei jüngeren, aber auch verheirateten Auswanderer hießen Strauch, Ebersbach und Uhlmann; Schi-Sos junger Freund wurde Adolf Wolf genannt. Mehr wollte Sam nicht wissen; er meinte, das Nähere könne er später erfahren, und jetzt müsse man sich zunächst mit der Gegenwart beschäftigen. Die Frauen und Kinder, unter denen keine kleinen waren, kamen auch herbei; der Scout konnte selbstverständlich nicht fernbleiben, und so waren alle beisammen, als Sam in seiner eigenartigen Weise von seinem heutigen Zusammentreffen mit den Finders zu erzählen begann. Außer dem jungen, blonden Indianer hatte ihn bisher keiner der Anwesenden gekannt. Als sie hörten, in welcher Weise er die Wetten gewonnen und dann die Finders in den Schlaf getrunken und dann sich ihrer Personen versichert hatte, erkannten sie trotz der Einfachheit und Bescheidenheit seiner Darstellungsweise, daß dieses kleine, sonderbare Männchen keineswegs ein gewöhnlicher Westläufer oder gar Herumstreicher sei. Das fühlte auch der alte Schmidt; darum streckte er ihm, als die Erzählung zu Ende war, die Hand entgegen und sagte in entschuldigendem Ton: „Ich sehe ein, daß ich Sie um Verzeihung bitten muß; ich habe Sie verkannt. Hoffentlich tragen Sie es mir nicht nach?“
„Werde mich hüten!“ lachte der Kleine. „Habe an mir selbst genug zu tragen und werde mich also nicht auch noch mit anderer Leute Fehler schleppen. Der Hanswurst ist vergeben und soll auch vergessen sein, wenn ich mich nicht irre.“
„Sie behaupten also, daß diese zwölf Personen die Finders sind?“
„Ja.“
„Daß Sie mit Stone und Parker ermordet werden sollten?“
„Ja.“
„Und daß diese Spitzbuben auch uns überfallen und ausrauben wollten?“
„Auch das.“
„So liegen Gründe genug vor, sie alle um den Hals oder wenigstens in das Zuchthaus zu bringen. Wir werden sie also während dieser Nacht bewachen und morgen dann der Behörde übergeben.“
„Nein, das werden wir nicht.“
„Was denn?“
„Sie laufenlassen.“
„Laufenlassen? Solche Verbrecher, denen Sie soeben mit heiler Haut entgangen sind? Haben Sie ein Gehirn im Kopf?“
„Vielleicht steckt's drin; in den Stiefeln wenigstens habe ich es nicht, Master Schmidt. Man merkt es wohl, daß Sie eben jetzt von drüben
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