100 Bauernregeln
Hand.«
Man sollte der Regel keinen Glauben schenken. So häufig, wie sie stimmt, so häufig liegt sie auch daneben. Mit dem Würfel als Prognose-Instrument – drei Seiten kalt, drei Seiten warm – würde die Vorhersage genauso gut bzw. schlecht ausfallen.
»Donnert’s im September noch, wird der Schnee um Weihnacht hoch.«
Zu Prognosezwecken taugt der ein weißes Weihnachtsfest versprechende Reim überhaupt nicht. Septembergewitter erhöhen nicht die Wahrscheinlichkeit weißer Weihnachtstage. Man würde die aufgrund des Spruches hochgesteckten freudigen Erwartungen vieler Menschen im Hinblick auf schneereiche Festtage enttäuschen.
»Septembergewitter sagen dir an, dass im Märzen noch viel Schnee liegen kann.«
Auf diesen Spruch ist kein Verlass. Zwischen Blitz und Donner im September auf der einen Seite und der Schneelage im März auf der anderen Seite besteht kein Zusammenhang.
»Wenn zu Michael
(29.09.)
der Wind kalt weht, ein harter Winter zu erwarten steht.«
Bei einer volkstümlichen Witterungsprognose empfiehlt es sich, nicht auf diese Regel zu bauen. Trefferquote und Fehlerquote stimmen nahezu überein.
»An Martini
(11.11.)
Sonnenschein, tritt ein kalter Winter ein.«
Auch diese Regel eignet sich nicht für eine verlässliche Wettervorhersage. Es existiert kein Zusammenhang zwischen einem sonnigen Martinstag und einem kalten Winter. Ein Blick in die Statistik wird diese Aussage bestätigen.
»Fallen in der Christnacht Flocken, wird sich der Hopfen gut bestocken.«
Eine sich wunderschön anhörende Regel, die leider in das Reich des Aberglaubens gehört. Diesem zufolge soll der Hopfen in der Heiligen Nacht zwischen elf und zwölf Uhr, selbst wenn der Schnee knietief liegt, Sprossen treiben, die mit Beginn der Geisterstunde wieder verschwinden. Dieser Aberglaube ist eng mit dem Sagenkreis um verschiedene Weihnachtsblüten (Holunder, Eberesche, Apfel) verwoben.
»Wie sich das Wetter vom Christtag
(25.12.)
bis Heiligdreikönig
(06.01.)
verhält, so ist es um das ganze Jahr bestellt.«
Die Aussage dieses Spruches, die auf dem Wetter in der Zeit der Raunächte fußt, gehört ebenfalls ins Reich des Aberglaubens. Er lässt sich statistisch nicht nachweisen.
»Bläst der Wind am Stephanitag
(26.12.)
recht, so wird der Wein im Jahr drauf schlecht.«
Den Wind am zweiten Weihnachtsfeiertag kann man nicht für die Güte des Rebensaftes verantwortlich machen. Da hätten mehr als dreihundert andere Tage den gleichen Anspruch. Auch diesen Reim können wir getrost ad acta legen.
»Scheint am Stephanstag
(26.12.)
die Sonne, gerät der Flachs zur größten Wonne.«
Sonnenschein um den zweiten Weihnachtsfeiertagkann keinen Einfluss auf das Gedeihen des Flachses haben. Dessen Saatgut muss bis zum Frühling warten. Erst dann wird überhaupt der Flachs bestellt.
»Schau, was die Rose von Jericho macht, sie zeigt, ob dem Bauer das Ernteglück lacht.«
Der Reim hat den Charakter eines Orakelspruchs und sorgt in der Zeit zwischen den Jahren höchstens für Unterhaltung. Für eine Ernteprognose ist er nicht brauchbar.
»Wind in der Silvesternacht hat nie viel Korn und Wein gebracht.«
Der Silvesternacht und dem Neujahrstag wohnt eine gewisse Magie inne. Doch für eine verlässliche Wettervorhersage eignen sich die Tage um die Jahreswende nicht. Heftige Luftbewegungen können bestenfalls den Start der Silvesterraketen erschweren, Einfluss auf den Ertrag des Getreides oder auf die Menge und Qualität des Rebensaftes haben sie nicht. Sicher wäre der Winzer an Anhaltspunkten über die Eigenschaften des neuen Weinjahrganges interessiert.
Alle Bauernregeln, egal, ob wahr oder falsch, haben etwas gemeinsam: Sie regen die Menschen dazu an, auf das Wetter und die Natur zu achten. Ein schönes Erbe unserer Ahnen.
Über den Autor
Dr. Jurik Müller beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit Bauernregeln, über die er regelmäßig Artikel für Tageszeitungen und sein erstes Buch geschrieben hat. Heute ist Müller beim Deutschen Wetterdienst Leipzig in der agrarmeteorologischen Beratung und weiterhin als Autor tätig.
Nach dem Studium der Meteorologie an der Humboldt-Universität zu Berlin promovierte er zum Dr. agr. an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, wo er zahlreiche wissenschaftliche Beiträge verfasste und bei der Erarbeitung eines Pflanzenbaulehrbuches mitwirkte. Außerdem ist sein Name mit der Erfindung des Wetterfaxes für Angelsportler eng verbunden.
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