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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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weiß es nicht. Nur ein Gedanke, daß wir auf ein paar Dinge stoßen könnten, die uns nicht gefallen. Hat sie Angst?“
    „Ja.“
    „Sagte sie auch, wovor?“
    „Vor den Menschen in Gehrdorf.“
    „Fühlt sie sich bedroht?“
    „Mehr oder weniger. Sie und die Haushälterin sind überall ausgeschlossen. Spielkameraden gibt es keine. Verstehen Sie das? Sie hat in diesen drei Jahren in Gehrdorf mit keinem Gehrdorfer Kind gespielt. Aus irgendeinem Grund, den ich noch nicht begreife, wurden die Bergen wie Ausgestoßene behandelt.“
    Ich nickte. „Ich glaube, wir werden noch auf mehr Verwunderliches stoßen. Was haben Sie mit dem Mädchen ausgemacht?“
    „Sie wird uns morgen nach Einbruch der Dunkelheit an der Bundesstraße erwarten. Sie wird uns zum Haus führen, ohne daß uns jemand sieht.“
    „Was ist mit der Haushälterin?“
    „Das Mädchen hatte eine Nachricht von ihr mit. Sie muß damit gerechnet haben, daß Sie wiederkommen.“
    „Das dachte ich mir. Wie lautet die Nachricht?“
    „Daß man sie nicht aus dem Ort läßt. Sie lebt dort wie eine Gefangene. Sie schreibt wörtlich:
    „… der Teufel hat von Gehrdorf Besitz ergriffen. Sie dienen ihm alle. Sie haben ihre Seelen verkauft und ihre Kinder. Hüten Sie sich vor Leo Gaisser. Er ist der Gefährlichste von allen. Julia weiß nichts, darum lebt sie. Anna Bergen wußte zu viel. Und ich werde Gehrdorf nicht mehr lebend verlassen. Nehmen Sie sich in acht, in Gehrdorf führt eine Straße zur Hölle.“
    Er schwieg einen Augenblick. Dann meinte er: „Wie würden Sie das denn schön wissenschaftlich nennen? Diabologie?“
    „Nekromantie“, erwiderte ich.
    „Ich weiß nicht, worauf ich mich da einlasse. Nichts gegen Ihre Geister, Herr Feller. Spiritismus ist heutzutage längst mehr, als eine Modeerscheinung. Er ist für manche wohl eine Art Religion. Aber über die Teufelsanbeterei, dachte ich, wären wir schon ein paar Jahrhunderte hinaus. Nehmen Sie das etwa ernst?“
    „Es tut nichts zur Sache, wie ernst Sie oder ich das nehmen, Herr Schwaber. Es kommt darauf an, wie ernst man in Gehrdorf derlei nimmt. Gut und Böse sind abstrakte Begriffe, Meßeinheiten für ein fragiles Instrument, das wir Gewissen nennen, aber Gott und Teufel personifizieren sie. Beide haben Macht über die Menschen, und je mehr sich die Menschen ihnen öffnen, desto größer wird diese Macht. Ich bin nicht sehr gläubig, aber Sie tun vielleicht gut daran, Ihren Gott mitzubringen, damit Sie etwas zum Festhalten haben.“
    „Sie sind ja verrückt“, rief er aus.
    „Lassen Sie sich keine grauen Haare wachsen deshalb“, sagte ich grinsend. Er bekam das Grinsen aus meinem Tonfall mit und wirkte seltsamerweise erleichtert. „Aber messen Sie dieser Nachricht nicht zu wenig Bedeutung bei. Die Haushälterin mag abergläubisch sein, aber für so ein abgeschiedenes Dorf gelten andere Maßstäbe. Da mögen die Jahrhunderte schon ein wenig vorbeigegangen sein. Verstehen Sie, was ich meine?“
    „Ich glaube, ja“, erwiderte er unsicher.
    „Ich glaube, nein“, erwiderte ich. „Es ist möglich, daß unsere Logik und Vernunft und aufgeklärte Erziehung zu wenig wirksam sein könnten gegen das, woran einige hundert Menschen glauben.“
    Einen Augenblick war Stille, dann sagte er verärgert: „Sie kümmern sich um Ihre Geister, und ich mich um die Menschen. Wenn sie wirklich dem Teufel ein Ständchen bringen, meinetwegen. Ich werde versuchen, ernst zu bleiben.“
    „Gut, gut“, lenkte ich ein. „Ich sehe, Sie haben die blasierte Einstellung überspielt. Das ist der Schutzmechanismus unseres Jahrhunderts vor den Ängsten der Vergangenheit. Ein im allgemeinen recht wirksamer. Aber ich fürchte, diesmal wird er ein Prüfstein sein. Ich bin unruhig. Das ist kein gutes Zeichen.“
    „Sie meinen, Sie sind abergläubisch?“ meinte er spöttisch.
    „So würden Sie es nennen“, sagte ich ruhig. „Aber denken Sie darüber nicht allzu sehr nach. Versuchen Sie lieber herauszufinden, ob man Sie beobachtet, sonst sind wir morgen auf keinem Schritt sicher.“
    Ernüchtert erwiderte er fast flüsternd: „Ich hatte bereits diesen Eindruck.“
    „Wo sind Sie? In der Redaktion?“
    „Ja, ich bin noch in der Redaktion. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, man beobachtet das Gebäude.“
    „Sie werden es merken, wenn Sie das Büro verlassen. Haben Sie ein privates Telefon?“
    „Ja.“
    „Gut. Rufen Sie mich an, wenn sie Näheres wissen. Wenn man Sie beobachtet, lassen Sie sich nichts

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