1.000 Euro für jeden
Erfolgsgeschichte. Und nicht nur die Vervielfachung des
Umsatzes gibt Semler recht, sondern vor allem die Mitarbeiter: Die
Fluktuationsrate bei Semco liegt unter einem Prozent.
Das
Rezept ist einfach: Behandle deine Mitarbeiter wie Erwachsene, dann verhalten
sie sich auch so. Je mehr Freiheiten du ihnen gibst, desto produktiver,
zufriedener und innovativer werden sie. Ein Unternehmen besteht aus erwachsenen
gleichberechtigten Menschen, nicht aus Arbeitskräften. Jeder hat das Recht,
sich frei zu entfalten und eine gesunde Balance zwischen Beruf und Privatleben
zu finden. Entgegen allem, was man aktuell zu glauben scheint, machen Druck und
Stress Menschen nicht produktiv, sondern ganz einfach nur kaputt. Und dabei
verliert das Unternehmen letztlich genauso wie der Mensch.
Es geht
Semler um ein neues Verständnis von Arbeit: Eine Firma ist ein
Gemeinschaftsprojekt, im besten Fall eine geteilte Leidenschaft. Die
Gesellschaft hat uns das allerdings anders beigebracht, wir sollen uns als
Steinmetze, Schneiderinnen und Hilfsarbeiter sehen, nicht als
Kathedralen-Schöpfer. Bei Semco sind die Mitarbeiter essentieller Teil eines
Ganzen, sie sind Mit-Schöpfer, nicht bloß ein Rädchen im System. Sie haben
Ideen, sie verstehen ihre Arbeit, sie wissen, was sie wert ist.
»Wirtschaftsdemokratie«
nennt dieses Prinzip der Miteigentümer des Multimedia-Unternehmens cpp in
Offenbach, Gernot Pflüger, in dessen Unternehmen es statt Kontrolle und
Bevormundung eine vertrauensbasierte Firmenkultur gibt. In seinem Buch »Erfolg
ohne Chef. Wie Arbeit aussieht, die sich Mitarbeiter wünschen« beschreibt er
Details dieser neuartigen Arbeitsweise. Alle MitarbeiterInnen sind
gleichberechtigt, es herrscht auch und vor allem in Finanzfragen völlig Transparenz –
wer will, kann zu jedem Zeitpunkt Einblick in die Kassenlage erhalten. Alle
Bewegungen sind nachvollziehbar, seien es Einkäufe, Honorare für Freelancer,
die Miete oder die Personalkosten. Alle beziehen denselben Lohn, alle haben
völlige Freiheit bei der Arbeitszeit- und Arbeitsplatzgestaltung.
Marktwirtschaft und Demokratie, Idealismus und Gewinnorientierung stehen laut
Gernot Pflüger keineswegs im Widerspruch.
Grundeinkommen als
Wegweiser in
die postindustrielle Zukunft
Die
beschriebenen Versuche, industrialisierte Arbeitsformen zu humanisieren, sind
von wenigen Ausnahmen abgesehen – ja, dm ist so eine Ausnahme – nicht
nachhaltig gelungen.
Auch in
unserer zunehmend postindustriellen Gesellschaft sind wir nach wie vor mit
industrialisierten Lebensformen und -umständen konfrontiert. Wir leben im
Schatten dieser Strukturen, die Arbeitswelt, öffentliche Verwaltung und sogar
Schule und Hochschule prägen: Standardisierung bis hin zu der Vereinheitlichung
der Bedürfnisse als die immer gleiche Antwort auf Fragen nach
Produktionsweisen, Gestalt der Produkte, Organisation menschlicher Tätigkeiten
und Fähigkeiten.
Noch
hallen die Versprechungen der Industriegesellschaft so nach, ist die Angst vor
Verlust dieser Art von Arbeit so groß, dass das Verschwinden ihrer materiellen
Basis noch
nicht in das
Bewusstsein einer Mehrheit rücken konnte. Wenn wir jedoch einmal verinnerlicht
haben, dass in der Wirklichkeit eines globalisierten Turbokapitalismus
Vollbeschäftigung nicht mehr möglich ist und deshalb das spezifisch deutsche
Sozialstaatsmodell nicht mehr trägt, ist eine Frage dringlich: Was muss sich
grundsätzlich ändern, um die unterschiedlichen, widersprüchlichen und
gleichzeitig stattfindenden gesellschaftlichen Entwicklungen zu begreifen?
Andere Verhältnisse können nur aus der Verflüssigung der bestehenden entstehen:
Verflüssigung meint, »gesellschaftlich Verklumptes« (Hans-Peter Dürr), einen
Stau, zu lösen, um der neuen Vielfalt der Lebens- und Arbeitsweisen gerecht zu
werden. Den früheren verfestigten Verhältnissen, die Schutz boten und Ordnung
versprachen, stehen zwanglosere, riskantere, aber auch freiere Verhältnisse
gegenüber.
Das
bedingungslose Grundeinkommen reflektiert diesen Prozess, es ermöglicht einen
veränderten Umgang mit dem Verlust von Arbeit, kann darauf gelassener
reagieren. Unter denjenigen, die uns darüber Auskunft gaben, was sich denn in
ihrem Leben durch Grundeinkommen ändern würde, wollten die abhängig
Beschäftigten mehrheitlich entweder das, was sie jetzt tun, für eine ganz
andere – freiere – Arbeit aufgeben, oder aber nur die Hälfte,
höchstens zwei Drittel der Zeit in der alten Tätigkeit arbeiten. Und fast
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