1.000 Euro für jeden
durften,
nicht aber für Textarbeit. Doch genau diese Betitelung wurde ihr bei der KSK
zum Verhängnis; die verweigerte ihr nämlich die Aufnahme, weil sie als
Beraterin keine künstlerische Leistung erbringe. Textarbeit hingegen wäre
KSK-tauglich gewesen.
Annette
K. musste sich daher privat krankenversichern. Von ihren ohnehin geringen
Umsätzen floss nun ein nicht unerheblicher Anteil in die aktuelle soziale
Absicherung. Daran, eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen, war gar
nicht zu denken. So wie Annette werden auch viele andere Selbständige in
Zukunft von Altersarmut betroffen sein oder ihren Beruf weit über das
Rentenalter hinaus ausüben müssen. Und das ist nicht allein ein Problem von
Kulturschaffenden!
Eine
Studie des Mannheimer Forschungsinstituts Ökonomie und Demographischer Wandel
(FÖDW) sagte im Herbst 2009 voraus, dass einem Fünftel der Selbständigen (21
bis 22 Prozent) eine »relative Armut« drohe – mit weniger als sechzig
Prozent des mittleren Einkommens: rund 15000 Euro.
Schlecht
versorgt sind neben den Selbständigen mit unterdurchschnittlichem Einkommen vor
allem Beschäftigte im Niedriglohnsektor und Langzeitarbeitslose. Die Trennlinie
zwischen vorsorgenden sowie ungenügend vorsorgenden Selbständigen verläuft, laut
FÖDW, bei einem Haushalts(!)-Nettoeinkommen von 2000 Euro im Monat. In dieser
Einkommensklasse befinden sich laut Studie dreißig Prozent aller Selbständigen
und 48 Prozent aller abhängig Beschäftigten. Solange es kein
Grundeinkommen gibt, ist Altersvorsorge für viele kaum zu bewältigen. Wer durch
seine freiberufliche Arbeit gerade noch von der Hand in den Mund lebt, steht im
Ruhestand mit leeren Händen da. Dem arbeitsamen Leben folgt eine Lebensabend in
Armut.
Die
zunehmende Altersarmut erschwert die kulturelle Teilhabe, denn gerade alte und
gebrechliche Menschen sind zum Beispiel auf öffentlichen Nahverkehr oder gar
Taxifahrten angewiesen, um selbst kurze Distanzen zu Veranstaltungen zuücklegen
zu können. Selbst ein Telefon- oder gar Internetanschluss ist für viele Alte
nicht mehr erschwinglich. Wenn für die Mobilität und Kommunikation das Geld
fehlt, ist Vereinsamung die Folge. Der Freitod scheint dann manchen als der einzige
Ausweg. Schon heute wird jeder dritte Selbstmord in Deutschland von Menschen über
65 Jahren begangen, dabei stellen die Über-65-Jährigen weniger als zwanzig
Prozent der Bevölkerung. Depressionen gehören im hohen Lebensalter zu den
häufigsten psychischen Störungen. Antriebslosigkeit und Hoffnungslosigkeit
werden als Alterserscheinung abgetan.
Das
bedingungslose Grundeinkommen hilft nicht nur, erwerbslose Phasen zwischen
bezahlten Projektarbeiten zu überbrücken, sondern ermöglicht auch manchem, der
von Freiberuflichkeit bislang nur träumt, die Initiative, sich endlich
selbständig zu machen – ohne Angst, ins soziale Elend abzurutschen.
Zugleich stabilisiert das bedingungslose Grundeinkommen die Einkommenssituation
der wachsenden Zahl unfreiwillig Selbständiger, die nicht über die
Risikobereitschaft »geborener Unternehmer« verfügen, und verschafft Sicherheit
in unsicheren Zeiten. Nicht zuletzt öffnet das bedingungslose Grundeinkommen
Freiräume für ein würdevolles Leben und sorgt für ein Leben ohne
Existenzangst – die bedroht nämlich immer häufiger Menschen nicht erst im
hohen Alter.
7. Kapitel:
Grundeinkommen – ein Mittel
gegen die Existenzangst
Unter Druck – von dem
Gefühl,
wertlos zu sein
»Generation
Existenzangst« ist ein Thema im User-Blog des Magazins Neon . Die Autorin nennt sich
»Ostseewelle«, heißt in Wahrheit Lena und schildert auf knapp achtzig Zeilen
ihr dreißig Jahre altes Leben, das vor allem von einem geprägt ist: Angst.
»Mein
Lebenslauf sieht aus wie tausend andere: Abitur, Auslandsaufenthalt, über
hundert Bewerbungen (nicht ein einziges Vorstellungsgespräch), knapp fünfzig
Absagen. Dann drei Jahre Praktikum und der Zufallstreffer: ein Job in einer
Produktionsfirma. Aus einer lockeren Zusammenarbeit wird etwas Ernsteres.
Gründung einer Ich-AG, nach drei Jahren zum Glück der erfolgreiche Sprung in
die eigene Existenz. Meistens dann arbeiten, wenn die Freunde das Wochenende
genießen und in die Disko fahren. Urlaubsplanung ist ein Fremdwort, man weiß ja
nie, wann ein Auftrag reinkommt. 24 Stunden am Tag abrufbereit sein, das
Handy immer dabei. Heute hier, morgen dort. Einen Tag in Dresden, abends wieder
in Brandenburg. Am nächsten Tag ab nach Schwerin,
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