1.000 Euro für jeden
Lebensentwürfe fern der Stromlinienförmigkeit und
Selbstausbeutung steigen.
Das moderne Arbeits-Los:
Jobnomaden
Die Schere
zwischen Arm und Reich geht weltweit, aber auch in der Bundesrepublik weiter
auseinander. Gleichzeitig sind wir mitten in einer Phase der heraufziehenden
Spaltung der Weltbevölkerung in »globalisierte Reiche und lokalisierte Arme«,
wie der Philosoph und Soziologe Zygmunt Bauman diagnostizierte. »Jene
überwinden den Raum und haben keine Zeit, diese sind an den Raum gefesselt und
müssen ihre Zeit, mit der sie nichts anfangen können, totschlagen.« Das Gleiche
könnte man über Orte sagen: Den immer schneller kreisenden Metropolen stehen
aussterbende ländliche Regionen und Städte gegenüber, wer kein »kreatives
Milieu« bieten kann, also eine Gemengelage von kultureller, wissenschaftlicher,
technischer und wirtschaftlicher Kompetenz, ist raus aus dem Spiel. Das gilt im
Großen wie im Kleinen, die Konkurrenz zwischen New York, Berlin und Tokio ist
genauso unerbittlich wie die zwischen Darmstadt und Hanau oder die zwischen
Berlin-Wedding und Berlin-Neukölln. Freizeit- und Kulturangebote werden zu
ökonomischen Standortfaktoren.
Industriebrachen
oder heruntergekommene Stadtviertel werden zunächst als billiger Lebensraum von
meist jungen Kreativen und Studierenden erobert, die mit Improvisation und
Überlebenskunst eine Subkultur ausprägen. Neue »In-Viertel« entstehen. Diese
ziehen die Wohlhabenderen an, denn kreatives Ambiente ist angesagt. Mit deren
Zuzug steigen die Immobilienpreise, die Pioniere können sie nicht mehr bezahlen
und werden verdrängt. In der Fachsprache der Stadtgeographie heißt das
Gentrifizierung.
So
ziehen die Kreativen als »Jobnomaden« nicht nur von Projekt zu Projekt, sondern
auch von Ort zu Ort. Der Buchautor Gunnar Werner, selbst erfahrener Jobnomade,
unterscheidet in seinem Buch »Jobnomade – Das Arbeitslos und die
Bewerbungslotterie« vier Arten von Jobnomaden:
•
Lokale Jobnomaden bleiben zwar immer beim selben Arbeitgeber, arbeiten aber bei
relativ kurzer Verweildauer in wechselnden Abteilungen, etwa als
Korrespondenten einer Zeitung oder als IT-Spezialisten in einem Konzern.
•
Translokale Jobnomaden wechseln aufgrund ihres Jobs häufig den Arbeits- und
Wohnort, sei es als Wochenendpendler mit weit auseinanderliegendem Wohnsitz und
Arbeitsplatz, sei es als Berufskraftfahrer oder Außendienstmitarbeiter mit
wechselnden Einsatzorten oder sei es als Leiharbeiter, der je nach Auftragslage
an unterschiedlichen Orten mit unterschiedlichen Aufgaben eingesetzt wird.
•
Globale Jobnomaden wechseln – aufgrund betriebsbedingter Kündigung,
Insolvenz oder aus eigenem Antrieb – oft den Arbeitsplatz und daher auch
häufig den Wohnort.
•
Additive Jobnomaden haben mehrere Jobs nebeneinander, müssen die Tätigkeiten
aufeinander abstimmen, brauchen viel (unbezahlte) Zeit, um die jeweiligen
Arbeitsplätze zu wechseln, und sind permanent damit beschäftigt, einen auslaufenden
Vertrag durch einen neuen zu ersetzen.
Eine
Zeitlang galt ein solches Leben sogar als erstrebenswerte Vision: Die
Unabhängigkeit von Raum und Zeit – Internet und Mobilfunk machen’s
möglich –, wechselnde Jobs, wechselnde Wohnorte und wechselnde Beziehungen
erschienen vielen als attraktiv. Schließlich hört sich ein solcher
Lebensentwurf als Kosmopolit, der überall zu Hause ist, heute hier, morgen
dort, glamourös an. Der Puls der Zeit schlägt im Takt der Ökonomie. Immer schön
in Bewegung bleiben.
Ein Großteil
der Berufstätigen nimmt weite Wege zur Arbeit in Kauf. Das Institut für
Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) fand 2005 heraus, dass bereits
39 Prozent aller Berufstätigen zur Arbeit pendelten – bei steigender
Tendenz. Jedes Jahr wechseln heutzutage etwa 13 Prozent der Angestellten
ihre Stelle. Oder anders formuliert: Im Schnitt wechselt jeder Mensch alle acht
Jahre seinen Job. Die Lücke gehört zur Beschäftigungsbiographie
selbstverständlich dazu. Denn nur selten fügt sich bei einem Wechsel der eine
Job nahtlos an den anderen. Fast jeder ist zumindest zeitweilig ohne Arbeit.
Und
Neueinstellungen sind zunehmend befristet. Deren Anteil stieg von
32 Prozent im Jahr 2001 auf 47 Prozent im Jahr 2009. Heutzutage
befindet sich laut Statistischem Bundesamt jeder zehnte Beschäftigte in
Deutschland in einem zeitlich befristeten Arbeitsverhältnis, nur in
Ausnahmefällen wird aus einem befristeten Job eine unbefristete
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