1.000 Euro für jeden
Festanstellung.
Immer
häufiger bedeutet ein neuer Job auch einen Neuanfang an anderem Ort mit unbekannten
Nachbarn, unbekanntem Umfeld, unbekannter Infrastruktur. Der Preis für den
Arbeitsplatzwechsel ist entsprechend hoch. Die psychosoziale Belastung einer so
massiven Veränderung halten nur die Stärksten aus.
Beruflicher
Stress und häufige Ortswechsel hinterlassen Spuren im privaten Leben: der
Beziehung, den Freundschaften, allem, was Kontinuität und Nähe erfordert. Es
ist ein neuer Typus des flexiblen Menschen gefordert, dem Richard Sennett ein
ganzes Buch gewidmet hat. »Heute muss ein junger Amerikaner mit mindestens
zweijährigem Studium damit rechnen, in 40 Arbeitsjahren wenigstens elfmal die
Stelle zu wechseln und dabei seine Kenntnisbasis mindestens dreimal
auszutauschen«, so der Soziologe. Diese unfreiwillige Kurzfristigkeit und
Aufeinanderfolge von Anstellungen ist das Gegenteil von produktiver
Beweglichkeit zwischen verschiedenen Arbeitsfeldern, -formen und -rhythmen; sie
führt zu einer Entwertung von Erfahrung, was sich auch in der Tatsache
widerspiegelt, dass junge (= billigere) StellenbewerberInnen gegenüber älteren
fast grundsätzlich vorgezogen werden. Der französische Philosoph Gilles Deleuze
hat diese Endlosschleife von Aus-, Fort- und Weiterbildung einmal trocken
kommentiert: Der Mensch hört nicht mehr auf anzufangen.
Die
Nomaden der Gegenwart sind »die Wunschsubjekte der Wirtschaft: frisch, frei,
flexibel, flott und immer auf Achse«, konstatiert Annamaria Rucktäschel,
Professorin für Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation in Berlin. Die neue
Kultur der Mobilität bringe fest verankerte Strukturen erheblich ins Wanken,
und zwar nicht nur in der Wissens- und Arbeitsgesellschaft, sondern auch in
Familie und Partnerschaft: »Im turbulenten Strudel von Individualisierung,
Globalisierung und Digitalisierung werden bislang solide verankerte Strukturen
vehement durcheinandergewirbelt. Lebenspläne können sich von heute auf morgen
modifizieren.«
Die
Idee einer neuen Arbeits- und Lebensweise im Global Village entpuppt sich in
der Praxis als unmenschliche Belastung. Berufstätige erleben sich nur noch als
»Planungsvariable des Unternehmens« – in vollkommener Abhängigkeit und
eben gezwungen, so flexibel wie irgend möglich zu sein. Doch der Mensch ist
kein einsamer Zugvogel, der sein Leben lang die Welt umrundet. Sicherheit und
Beständigkeit gehören auch im 21. Jahrhundert zu den menschlichen
Grundbedürfnissen, was eine Studie des BAT-Freizeitforschungsinstituts von 2004
belegt: Zwei Drittel der 18- bis 34-Jährigen wollen lieber konventionell wie
die Eltern arbeiten, nur jeder Dritte aus dieser Altersgruppe kann sich für
flexible Arbeitsformen und Mobilität im Berufsleben begeistern. Je älter die
Menschen werden, desto schwerer fällt ihnen die Ortlosigkeit.
Die
Grenzen zwischen abhängiger Beschäftigung und Selbständigkeit, zwischen Arbeit
und Lernen sowie Arbeit und Freizeit verschwimmen, gleichzeitig steigt die
Unsicherheit. Das »Nebeneinander« der Beschäftigungsformen in der
Gesamtgesellschaft spiegelt sich als »Nacheinander« im individuellen
Berufsleben: Phasen von Erwerbstätigkeit wechseln sich mit Phasen der
Erwerbslosigkeit ab. Die moderne Vita gleicht einem bunten Stückwerk aus
zeitlich versetzten Berufsfragmenten. Auf das Praktikum hier folgt das
befristete Projekt dort; bis zum nächsten Projekt organisiert man das
Fundraising für ein Forschungsvorhaben oder versucht das jeweils nächste halbe
Jahr durch einen Antrag auf Stipendium oder Katalogbeihilfe zu überstehen.
Unser gegenwärtiges Sozialsystem hat keine Instrumente, um auf diese neue
Normalität zu reagieren. Im Gegenteil, wie wir aus den Ausführungen von Michael
Opielka in einem früheren Kapitel wissen: Es wirft den Projektarbeitern
erhebliche Knüppel in den Weg.
Kurzarbeit & Co.
Nach dem
Crash von Lehman Brothers wurde Kurzarbeit zum politischen Mittel der
Wahl – um die Arbeitslosenquote nicht massiv zu erhöhen. Im Mai 2009 waren
gut 1,5 Millionen Arbeitnehmer in Kurzarbeit. Ende des Jahres bezogen noch
890000 Arbeitnehmer Kurzarbeitergeld in Höhe von maximal 67 Prozent des
Nettolohns, 620000 Beschäftigte mehr als zwölf Monate zuvor.
Kurzarbeit,
die den Steuerzahler teuer zu stehen kommt, mag dabei helfen, Statistiken zu
schönen, doch für die Betroffenen bedeutet es ein Leben in unsicheren
Verhältnissen. Das Gehalt ist nicht immer existenzsichernd, die Zukunft im
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