1.000 Euro für jeden
Betrieb
ungewiss. Kurzarbeit hat etwa schwerwiegende Folgen für kreditfinanzierte
Wohnungs- und Hausbesitzer. Die mussten 2009 vermehrt Lastenzuschüsse (Wohngeld
für Eigentümer) beantragen: »Der starke Anstieg der Kurzarbeit hat (…) etliche
Besitzer von Eigenheimen und Eigentumswohnungen bei der Bewältigung ihrer
Immobiliendarlehen in Schwierigkeiten gebracht«, sagt Tobias Just,
Immobilienanalyst bei Deutsche Bank Research.
Frank-Jürgen
Weise, Vorstandschef der Bundesagentur für Arbeit, betonte im November 2009,
dass die Kurzarbeit die Folgen der Krise nur zeitlich verschiebe. Manche Firmen
missbrauchten zudem das Instrument der Kurzarbeit – zum Nachteil der
Beschäftigten: »Wir wissen nicht, ob die durch Kurzarbeit vorgehaltenen
Personal-Kapazitäten später wieder genutzt werden. Oder ob die Kurzarbeit im
Grunde genommen nur eine verdeckte Verlängerung der Arbeitslosigkeit ist. Das
würde dann heißen, dass man den Menschen Hoffnung macht, es gehe nach der
Kurzarbeit wieder aufwärts, und stattdessen kommt die Arbeitslosigkeit.«
Würden
die staatlichen Gelder für die Kurzarbeit in ein bedingungsloses Grundeinkommen
fließen, wäre den in der Industrie von Kurzarbeit Betroffenen eher geholfen.
Der Zustand, nicht mehr planen zu können, einer unsicheren Zukunft entgegenzusehen,
würde ein Ende finden. Genau wie im kulturellen Sektor mit all seiner Prekariat
erzeugenden Projektarbeit.
Die
wenigen, die noch einen Arbeitsplatz innehaben, tun das heute eben immer
seltener als dauerhaft Festangestellte. Um sich aufwendige Kündigungsverfahren
zu ersparen, beschränken sich Unternehmen auf eine kleine Stammbelegschaft, die
sie projektbezogen um Spezialisten und Hilfskräfte ergänzen. Kurz-, Leih- oder
Zeitarbeit, befristete Arbeitsverträge, Heimarbeit und vielfältige Formen von
Selbständigkeit und Freiberuflichkeit sind die Arbeitsformen der Gegenwart.
Laut
Statistischem Bundesamt hat sich die Beschäftigtenzahl in der
Zeitarbeitsbranche zwischen 2002 und 2008 mehr als verdoppelt. Auf dem
Höhepunkt arbeiteten 760 000 Menschen in der stark konjunkturabhängigen
Branche. Durch die Wirtschaftskrise sank diese Zahl in 2009 wieder deutlich.
Vor allem Geringqualifizierte verloren massenweise ihren Arbeitsplatz. Der
gepriesene Dienstleistungs-Boom ist zugleich ein Boom der Leiharbeit: Achtzig Prozent
der neuen Arbeitsplätze im Dienstleistungsbereich entstanden in der Zeitarbeit,
die in 93 Prozent der Fälle nicht in ein unbefristetes Verhältnis
umgewandelt werden.
Kurzarbeit,
Befristung, Zeitarbeit, Teilzeitarbeit und Minijob gehen Hand in Hand mit
Niedriglohnjobs. Rund 1,3 Millionen Menschen mussten 2009 mit Arbeitslosengeld
II aufstocken. Ein Klima der Angst ist die Folge.
Angst vor Armut
Die
grassierende Existenzangst ist begründet und geht mit einem Gefühl von
Vereinzelung und Ohnmacht einher. Akut armutsgefährdet sind alle
gesellschaftlichen Gruppen – ob ältere Berufstätige oder
Berufseinsteigerinnen, Reinigungskräfte oder Programmierer, Fabrikarbeiter oder
Journalistinnen. Konkret müssen je nach Bundesland zwischen vier und zwölf
Prozent aller Arbeitnehmer heute schon mit weniger als sechzig Prozent des
mittleren Einkommens der bundesweiten Bevölkerung auskommen. 2008 lag die
Armutsschwelle im Bundesdurchschnitt bei 786,89 Euro. In Bayern sind in der
Regel prozentual weniger Menschen von Armut betroffen, trotzdem ermittelte das
Bayerische Landesamt für Statistik eine erhöhte Armutsgefährdung bei rund einer
Million Personen, die einer sogenannten »atypischen Beschäftigung« nachgingen.
Dazu gehören befristete Tätigkeiten, Teilzeitbeschäftigungen mit zwanzig oder
weniger Wochenstunden, Zeitarbeitsverhältnisse sowie geringfügige
Beschäftigungen.
Vor
allem diejenigen, die ohne Partner zugunsten der Kindererziehung im Job kürzer
treten wollen oder müssen, laufen größte Gefahr zu verarmen: Selbst bei Alleinerziehenden,
die in einem »Normalarbeitsverhältnis« stehen, liegt die Armutsrisikoquote bei
rund zehn Prozent – bei Alleinerziehenden ohne regelmäßiges Einkommen sind
es zwanzig Prozent.
Armut
und Armutsrisiko sind die extremen Ausprägungen der veränderten Arbeitsmärkte.
Die Grenze zwischen dauerhaft sicheren und kontinuierlich unsicheren Zonen der
Arbeitswelt verwischt zunehmend. Es gibt nicht die Arbeitenden mit Einkommen
und die arbeitslosen Armen, sondern eine wachsende Zahl von Menschen dazwischen,
die vom Erwerbsleben nicht ausgeschlossen sind, aber
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