1004 - Das Phantom in der Fremde
Türme in einer fremden Umgebung, die zusätzlich noch von Nebelschwaden durchweht wurde, so daß mein Blick nie klar werden konnte.
Bärtige Gesichter. Augen schauten auf mich herab. Aber Augen, die nicht klar waren, sondern innerhalb der Schwaden wie glitzernde kleine Teiche wirkten. Dunkel und trübe, dennoch eisig. Vielleicht bildete ich mir das ein, aber diese Menschen hatten eine Aufgäbe zu erfüllen, und sie würden sich davon nicht abhalten lassen.
Nicht durch mich, nicht durch einen Fremden.
Die schleichende Furcht vor dem Ungewissen quälte mich. Ich hatte verloren. Ich war der Gefangene, der schon Verurteilte, der nur darauf wartete, daß das bisher unausgesprochene Urteil in die Tat umgesetzt wurde.
Sie taten nichts.
Sie standen nur da.
Sie warteten und schauten nach unten.
Hin und wieder bewegten sie einen Weihrauchkessel, aus dessen durchlöcherten Wänden wieder dieser Nebel drang, den ich als sehr intensiv aufnahm, weil er direkt vor mir über meinen Kopf und auch den Körper hinwegschwebte.
Ich atmete schwer. Dabei zog ich die Beine an, um meinen Körper kleiner zu machen. Ich wollte instinktiv ein nicht zu großes Ziel abgeben.
Noch hatten sie mir nichts getan. Es würde bestimmt nicht so bleiben. Automatisch beschäftigte ich mich mit dem Gedanken, wie ich mich verhalten würde, wenn es hart auf hart ging.
Ich trug die Beretta bei mir. Aber konnte ich es tatsächlich riskieren, in dieser Umgebung und beinahe hautnahe an der Bundeslade, eine Pistole zu ziehen und zu schießen?
Es war verrückt. Ich würde meine Schwierigkeiten haben. Die Grenze war einfach zu hoch gesetzt. Wenn es allerdings um mein Leben ging, sah die Sache anders aus.
Jemand sprach!
Ich hatte nicht feststellen können, von wem diese befehlsartigen Worte stammten. Der Mann konnte im Vorder-, aber auch im Hintergrund stehen. Jedenfalls hatte ich mich nicht geirrt, und seine Worte waren zugleich die Aufforderung für andere Männer gewesen.
Daß sie ihre Beine hoben, sah ich wegen der Weihrauchschwaden kaum. Aber dann spürte ich am eigenen Leib, was geschah.
Ja, sie traten zu.
Sie wollten mich demütigen, mich erledigen. Sie traten mir überall hin. Gegen die Beine, gegen die Hüfte, gegen die Brust. Sie zielten auch auf mein Gesicht. Verzweifelt riß ich die Arme schützend vor das Gesicht.
Sie traten weiter.
Rücksichtslos.
Und ihre Tritte blieben gleich. Nie stärker, nie schwächer, aber im Laufe der Zeit und in der Summe würden sie schon zu einer Folter werden.
Lange konnte ich diese Quälerei nicht durchstehen, deshalb mußte ich etwas tun.
Die Flamme meines Überlebenswillens tanzte wild. Ich wollte mich nicht fertigmachen lassen. Zudem sah ich, daß sich aus dem Hintergrund einige Gestalten nach vorn drängten, und sie trugen Stöcke in ihren Händen. Was damit geschehen würde, das konnte ich mir an zwei Fingern abzählen. Ich wälzte mich auf den Bauch und stemmte mich einen Moment später hoch.
Es klappte besser als erwartet. Der leichte Schwindel war zu verkraften, und der erste Mann, der seinen Stock bereits erhoben hatte, wurde zu meinem Ziel.
Ich sah noch sein erschrecktes Gesicht, dann packte ich zu und riß ihm den Stock aus der Hand. Bevor er zustoßen konnte, traf ich ihn mit einem Ende in den Magen.
Aus seinem Mund drang ein unartikuliertes Geräusch. Seine Augen drückten sich nach vorn, während er zurücktaumelte und die Hände gegen die getroffene Stelle hielt.
Einen zweiten Mann räumte ich auf die gleich Art und Weise aus dem Weg.
Ein dritter fiel mich mit bloßen Händen an. Ich wich blitzschnell zurück und schlug mit der rechten Hand nach hinten aus. Der Mann sprang ins Leere, aber sofort waren zwei andere da, die sich wie Kletten an mich hängten und mich zurückzerrten. Sie wollten mich wieder zu Boden schleudern, aber ich blieb auf den Beinen, zog die beiden anderen sogar noch mit, bis ich plötzlich einen harten Widerstand an meinem Rücken spürte und zugleich ein Schrei aus zahlreichen Kehlen durch die Kirche schwang. Ich wußte noch im selben Augenblick, weshalb die Männer sich so entsetzt gezeigt hatten.
Das Hindernis, das mich aufgehalten hatte, war die Bundeslade gewesen. Zum erstenmal in meinem Leben war ich in einen direkten Kontakt mit ihr gekommen, auch wenn sie noch durch das Tuch verdeckt war.
Ich war nicht so abgebrüht, daß ich über diesen Vorgang so einfach hinweggegangen wäre. Das war genau der Augenblick, an dem ich buchstäblich erstarrte und
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