101 - Gangster in London
war schon so weit entfernt, daß sie kaum noch das Schlußlicht erkennen konnte.
Dann erschienen plötzlich zwei große, helle Scheinwerfer aus der Richtung der Bath Road. Der Wagen fuhr verhältnismäßig langsam. Leslie trat in die Straßenmitte und hob beide Arme. Als das Auto hielt, sank sie vor Schwäche zusammen...
Gleich darauf trug sie jemand auf die Seite der Straße. »Was ist denn los? Mein Gott - das ist ja Miss Ranger!«
Sie erkannte Jiggs Allerman, der sich über sie beugte. »Wo waren Sie denn?«
»Auf dem Land...« Sie lächelte schwach.
»Wir haben nach Ihnen gesucht...« Jiggs hielt eine kleine Flasche an ihre Lippen. Sie schluckte und hustete; denn der Captain liebte besonders scharfen Kognak. »Das schadet Ihnen nichts!«
Sie erinnerte sich nun wieder an das Entsetzliche und zeigte auf den Seitenweg.
Er konnte nicht sehen, was sie meinte, da die Stelle im Dunkeln lag. »Was ist?« fragte er. »Tetley...!« flüsterte sie.
»Können Sie sich aufrecht halten?« Er stellte sie auf die Füße, lehnte sie gegen die Zauntür und rief nach dem Chauffeur.
Dann gingen die beiden auf die Stelle zu. »Holen Sie einen Polizisten und einen Krankenwagen«, sagte Jiggs. »Ich war auf dieses Ende gefaßt.«
Er kam zu Leslie zurück, und sie unterrichtete ihn nun über die Ursache ihrer Panne.
»Ihr Wagen hat Sie also im Stich gelassen?« Jiggs ging zu seinem eigenen Auto, holte eine Kanne Benzin und goß den Inhalt in ihren Tank. »In Ordnung!« sagte er dann zu dem Chauffeur, der eben abfahren wollte. »Ich will Miss Ranger zur nächsten Polizeiwache bringen...«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich will lieber hierbleiben. Ich bin nicht so ängstlich.«
Jiggs trat näher an sie heran; beide stützten sich mit den Ellbogen auf den Zaun und warteten. »Wir haben nach Ihnen Ausschau gehalten«, sagte der Captain. »Als Terry hörte, daß Sie in einem Auto fortgefahren seien, wurde er wild. Das merkwürdigste ist, daß niemand erkennen konnte, wer außer Ihnen im Wagen saß. Wer war es denn?« »Mrs. Smith!« »Doch nicht etwa Cora?« »Ja... Ich erzähle Ihnen später alles.«
Ein langes Schweigen folgte. Nach einiger Zeit erschienen wieder die beiden Scheinwerfer des anderen Wagens auf der Brücke.
»Da kommt unser Mann - und auch der Krankenwagen! Fahren Sie doch im Dienstauto zur Stadt und lassen Sie Ihren Wagen ruhig hier stehen! Ich kann mit der Garage telefonieren und die Leute veranlassen, ihn morgen abzuholen; die werden sich schon um ihr Eigentum bemühen. Ich muß einstweilen noch hierbleiben und mich um Tetley kümmern.«
29
Cora sprach während der ersten Pause im Theater kein Wort.
»Was ist denn heute mit dir los?« fragte Kerky.
Sie schüttelte nur den Kopf. Als aber der Vorhang zu Beginn des zweiten Aktes aufging, packte sie plötzlich seinen Arm. » Komm mit nach draußen, Kerky!« Er folgte ihr ins leere Vestibül.
»Erinnerst du dich an das Buch?« Sie brachte die Worte kaum heraus, jede Silbe mußte sie sich abringen. »Ja!« Er war auf das Kommende vorbereitet.
»Ich habe es nicht auf die Bank gebracht. Ich wollte es tun, habe es aber vergessen. Es liegt immer noch in meiner Handtasche - und die habe ich verloren. Ich weiß, wo sie ist... Ich habe sie liegenlassen...«
Schließlich erzählte sie ihm, daß sie sich an Leslie hatte rächen wollen. »Ich war so außer mir über sie...« »Darüber brauchst du jetzt keine Worte zu verlieren«, sagte er ruhig. »Geh ins Hotel, Cora!«
Er schnalzte geistesabwesend mit den Fingern. Ein Mann, der ihn beobachtete, entfernte sich vom Eingang des Theaters, kam ein paar Minuten später mit dem Wagen wieder und setzte sich neben den Chauffeur.
Kerky stieg ein. »Nach Westen! Slough und Maidenhead. Scharf nach rechts - dann über die Brücke!« Dumm war Cora - das ließ sich nicht bestreiten. Aber er war ihr nicht böse. Außerdem war er selber noch viel dümmer als sie! Warum mußte er auch alle Summen, die er aus diesem neuen Geschäft erhalten hatte, in ein Notizbuch eintragen? Warum hatte er das Abkommen mit Eddie überhaupt zu Papier gebracht? Mit ihm verglichen war Cora geradezu intelligent. Allerdings würde es schwer sein, die Sache mit Leslie Ranger aus der Welt zu bringen. Dadurch wurden die Zeitungen und das Publikum auf ihn aufmerksam, und das durfte in diesem Augenblick unter keinen Umständen geschehen. Nur wenn er in das Haus gelangen konnte, bevor jemand anders Leslie gefunden hatte, ließ sich vielleicht noch alles
Weitere Kostenlose Bücher