1014 - Der Seelenkompaß
von Soulman!« stellte Suko fest. »Sie hat sich aufgemacht und ist nach London gekommen. Aus welch einer Welt auch immer, aber er ist hier. Du hast ihn gesehen, John, er wird dich ebenfalls gesehen haben, und ich könnte mir vorstellen, daß er etwas gegen dich unternehmen wird.«
»Ja, das ist gut möglich.«
»Und warum sollte er?« fragte Suko.
»Weil John ein Zeuge ist«, erklärte Jane.
»Muß nicht sein, kann aber.« Der Inspektor nickte. »Ich gebe dir in einigen Dingen recht, aber ich frage mich gleichzeitig, aus welch einem Grund sich dieser Schatten nur die Seelen von Killern oder Schwerverbrechern geholt hat. Ihr könnt mir sagen, was ihr wollt, aber das muß einen Grund haben.«
»Hat es auch«, sagte ich, »denn genau das ist unser Problem, mit dem wir fertig werden müssen.«
»Er will das Böse«, sagte Sarah. »Gute Menschen interessieren ihn nicht. Er will die Seelen der Verbrecher, weil er selbst einer ist.«
»Das kann ich unterstreichen«, sagte Suko. »Stellt sich die Frage, wie wir ihn finden. Wir können nicht jedem Mörder, der in einem der Zuchthäuser einsitzt, jemand zur Seite stellen. Das ist nicht drin.«
Ich brauchte ihm keine Antwort zu geben. Er wußte, daß ich seiner Meinung war. Trotzdem mußte es weitergehen. Wir mußten einfach eine Spur finden. Ich dachte daran, die Vergangenheit der Toten näher unter die Lupe zu nehmen. Möglicherweise gab es da eine Gemeinsamkeit zwischen ihnen, wo wir ansetzen konnten. Das wollte ich heute nicht mehr in die Wege leiten, sondern am nächsten Tag. Zudem beschäftigte mich der Gedanke, ob dieser helle Schatten von allein agierte oder ob ihm ein Helfer zur Seite stand.
Fragen, die unbedingt gelöst werden mußten. Wenn das geschah, konnten wir den Seelenfresser auch stellen und möglicherweise vernichten. Aber soweit waren wir noch längst nicht.
»Ihr dreht euch im Kreis«, faßte Jane zusammen.
»Stimmt.«
»Wie willst du da ausbrechen, John?«
Ich verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Indem ich eine Nacht darüber schlafe. Morgen sehen wir dann weiter. Frisch aufgetankt.«
Jane lächelte zurück. »Solltet ihr irgendwelche Hilfe brauchen, dann denkt an mich.«
»An uns!« korrigierte die Horror-Oma.
»Machen wir glatt.« Ich stand auf und sah deutlich, daß die beiden Frauen mir nicht glauben wollten. Ich ging nicht näher darauf ein und verabschiedete mich von Sarah. Jane Collins brachte mich bis zur Tür.
Suko war schon vorgegangen, Jane hielt mich noch zurück. »He, noch zwei Sekunden, John.«
Wir standen uns dicht gegenüber. Jane sah mir in die Augen. Es war beinahe mit der berühmten Szene in dem Film »Casablanca« zu vergleichen, nur daß Jane nicht Ingrid Bergmann war, ich nicht Humphrey Bogart und auch nicht wegen meiner Größe noch auf einer Fußbank stehen mußte.
»Und?«
Jane streichelte mein Gesicht. »Wird es nicht mal Zeit, daß wir beide ganz für uns allein sind?«
»Eigentlich schon.«
Sie küßte mich auf den Mund. »Und wann? Ich bin zu jeder Schandtat bereit.«
»Ich im Prinzip auch«, stimmte ich zu, »nur…?«
Jane legte beide Hände gegen meine Wangen. »Was - nur…?«
»Da gibt es doch diesen Seelenfresser.«
»Ich weiß, John Sinclair, aber den gibt es nicht immer. Oder wie sehe ich das?«
»Genau richtig.«
»Was machen wir da?«
»Ich rufe dich an.«
»Versprochen?«
»Immer.«
Jane Collins lachte und gab mir einen leichten Klaps gegen die Brust. »Ich kenne diese Versprechen, Geisterjäger. Diesmal machen wir es anders. Da werde ich dich anrufen.«
»Das ist die Idee, Jane!« rief ich ihr noch zu, küßte sie und ging zum Rover, wo Suko auf mich wartete.
»War ja ein langer Abschied«, sagte er mit bedeutungsvoller Stimme, als ich eingestiegen war.
»Der mußte sein.«
»Hat Jane sich beschwert?«
Ich startete. »Du weiß ja, wie die Frauen sind. Wenn sie sich einmal was in den Kopf gesetzt haben, wollen sie es auch durchführen. Da sind sie knallhart.«
»Wem sagst du das?«
Erst nach einer Weile sprach Suko wieder. »Falls du heute abend nicht allein sein willst, könnten wir zusammen mit Shao irgendwo etwas Gutes essen gehen.«
»Im Prinzip habe ich nichts dagegen. Andererseits möchte ich ganz gern allein bleiben und früh ins Bett gehen.«
»Dagegen kann ich nicht anstinken, Partner.«
***
Jane Collins schloß die Tür hinter sich. Kopfschüttelnd ging die Detektivin durch den Flur und sah, daß ihr Sarah Goldwyn entgegenkam. Die Horror-Oma hatte einen
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