105 - Atoll des Schreckens
der so geschickt ein Verbrechen
einfädelt und allein durchführt, weil man ihm Hörner aufgesetzt hat, der
ist zu allem fähig. Weder Armand Roussy noch seine eigene Frau haben geahnt,
daß Maron sie durchschaut hat. Das wurde ihnen zum Verhängnis. Hast du schon
einmal etwas von Rachegeistern gehört?“ Diese Frage kam wie aus der Pistole
geschossen. Kommissar Dijoll war sichtlich verwirrt.
„Rachegeister“,
erklärte Jean Bourmant, „kommen irgendwann zurück und rächen sich für das, was
jemandem angetan worden ist. Vielleicht ist Madame Maron solch ein Rachegeist
geworden, hm? Aus der See steigt sie empor und nimmt ihren Mörder mit in die
Tiefe. Und dabei verliert sie ein bißchen Seetang.“
„Du
glaubst doch selbst nicht, daß…“ Dijoll schluckte. Jean Bourmant war bekannt
dafür, daß er es verstand, andere auf den Arm zu nehmen.
„Es
kommt nicht darauf an, was ich glaube. Ich werde mich vergewissern. Vielleicht
liegen die Dinge ganz anders und passen weder in das Bild, das ich mir gemacht
habe, noch in das, welches sich die Herren machten, als sie die Sache
Maron-Roussy aufzuklären hatten. Vielleicht ging Marons Anschlag daneben, und
Marianne Maron und Gilbert Roussy haben die Konsequenzen daraus gezogen und
sind untergetaucht. Was konnten sie sich besseres wünschen? Sie waren für sich,
und alle Welt glaubte, es gäbe sie nicht mehr. Und jetzt kommt etwas nach. Ich
sehe als Ausgangsposition immer noch den Punkt, wo die Nachforschungen vor
zwanzig Jahren endeten, ohne meiner Meinung nach wirklich abgeschlossen gewesen
zu sein.“
„Und
was hast du jetzt vor?“
„Ich
habe noch nie in meinem Leben einen ausgedehnten Urlaub gemacht. Schon immer
hatte ich vor, eine Weltreise zu unternehmen. Als ich noch arbeitete, hatte ich
keine Zeit und kein Geld. Als Pensionär habe ich nicht mehr viele Ansprüche,
und es bleibt einiges übrig. Das verprasse ich nun. Tahiti hat mich schon immer
interessiert.“
„Fuchs!“
Dijoll konnte sich nicht erinnern, jemals bei einem Treffen mit seinem Freund
so wenig gesprochen zu haben.
„Die
Reisen sind verhältnismäßig preiswert, und ich habe mich einer Gruppe
angeschlossen, die morgen von Paris abfliegt, um vierzehn Tage Tahiti zu
erleben. Einige Besichtigungen sind organisiert, vieles kann und darf man
allein unternehmen. Der persönlichen Initiative sind kaum Schranken gesetzt.
Ich werde mir ein paar besondere Inseln vornehmen und ein bißchen Seetang
suchen. Hast du übrigens davon gelesen, daß vor ein paar Jahren ein
Forschungs-U-Boot auf rätselhafte Weise irgendwo zwischen den Inseln
verschwunden ist?“
„Ja,
aber…“
„Es
könnte zusammenpassen. Aber die Geschichte ist natürlich ein paar Nummern zu
groß für mich als Privatmann. Ich sehe das alles auch als Urlaub. Finde ich ein
Krümchen, dann ist es gut, finde ich nichts, war's das eben. Aber sollte ich
auf etwas stoßen, woran kein Mensch denkt, dann dürfte es wahrscheinlich zu
einem der größten internationalen Kriminalskandale kommen, die es je gegeben
hat.“
Kommissar
Dijoll nahm eine Kognakflasche aus dem flachen Glasschrank hinter seinem
Schreibtisch und zwei Gläser. „Darauf muß ich mir einen genehmigen, Fuchs. Ich
glaub, du hast auch einen nötig.“
„Trink
meinen auf mein Wohl mit, lieber Dijoll. Ich schreibe dir mal aus Tahiti. Was
du jetzt denkst, weiß ich.“ Jean Bourmant lachte, als Dijoll die beiden Kognaks
kippte. „Der arme Bourmant, er ist pensioniert und zuckerkrank, und jetzt hat
er auch noch einen Vogel. Recht hast du, Dijoll! Aber ich kann nun mal nicht
anders. Es ist eine fixe Idee von mir. Und der muß ich nachgeben. Ich habe mein
ganzes Leben nie anders gehandelt.“
●
Gleich
am ersten Abend auf Tureia kam es für Larry Brent und Morna Ulbrandson zu einem
Zwischenfall, der bedeutungsvoll werden sollte.
Mit
einer kleinen Maschine, die siebzehn Personen transportiert hatte, waren sie
auf Tureia gelandet. Einer der Passagiere, ein Franzose, hatte alle
„Inselsprünge“ mitgemacht, seit sie in Papeete umgestiegen waren. Er lebte
schon seit Jahren in Tahiti, hieß Pascal Languedoc und war im selben Hotel wie
Morna Ulbrandson und Larry Brent einquartiert. Auf Tureia gab es gar kein
zweites Hotel.
Morna
hatte gemeinsam mit X-RAY-3 einen ersten Spaziergang am Strand unternommen. Sie
gaben sich wie ein verliebtes Paar, das Urlaub machte.
Morna
fiel auf. Sie war eine attraktive Frau, deren schulterlanges Haar wie flüssiges
Gold in der Sonne
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