1056 - Die steinerne Charta
erschien ihm unglaubhaft, was er gerade in ihrem Kreis erlebt hatte. Nun wirkten sie kalt und leblos.
War alles nur eine Halluzination gewesen, ein Streich, den ihm sein überreiztes Gehirn gespielt hatte?
Ein Aufschrei riß ihn aus seinen Gedanken. Er fuhr herum und sah, daß Dutzende von Trivers heimlich herangeschlichen waren und den Rollstuhl umringt hatten. Nun versuchten sie, das Gefährt mit Skenzrans Tochter darin wegzuschleppen.
Und die drei Männer besaßen nicht einmal eine Waffe!
6.
Als Skenzran in den Dom zurückkehrte, waren die Vorbereitungen zur Ritterweihe in vollem Gang. Er dachte, daß er sich unbemerkt unter die arbeitenden Domwarte mischen und eine der üblichen Beschäftigungen aufnehmen könnte, doch Zeremonienmeister Radaut erspähte ihn und glitt auf seinen vielen Beinchen sofort auf ihn zu.
„Warum kommst du allein zurück?" surrte er ärgerlich. „Du hast sie im Stich gelassen, nicht wahr?"
„Unter dem Dom herrschen völlig andere Bedingungen, als ich angenommen hatte", verteidigte sich Skenzran. „Es liegt eine gewaltige Station unter uns."
„Denkst du, das wüßte ich nicht?" erkundigte Radaut sich spöttisch.
„Es war - lebensgefährlich!" stieß Skenzran hervor. „Ich habe die anderen gewarnt und sie beschworen, zusammen mit mir zurückzukehren, aber sie wollten nicht hören."
Der Schcoide dachte einen Augenblick nach.
„Eigentlich habe ich nicht mehr von dir erwartet", sagte er schließlich. „Sobald die Feierlichkeiten abgeschlossen sind, wirst du durch einen anderen Domwart ersetzt werden. Du kannst dann zusammen mit deiner Tochter nach Croul zurückkehren."
Zu seiner eigenen Überraschung empfand Skenzran über seine Entlassung Erleichterung. Er begriff, wie wenig ihm im Grunde genommen immer daran gelegen hatte, auf Khrat als Domwart zu arbeiten.
„Ich glaube", sagte er, „daß meine Tochter gern hier bleiben möchte."
Radaut hatte sich bereits abgewandt und ging davon, ohne dem Zarken eine Antwort zu geben. Die anderen Domwarte beobachteten Skenzran. Vermutlich wußten sie, was vorgefallen war. Der Zarke fühlte sich als Außenseiter, aber das weckte lediglich Trotz in ihm. Verbissen nahm er seine Arbeit wieder auf.
Er wunderte sich, wie weit die Vorbereitungen schon gediehen waren. Die seltsamen Schmuckgegenstände, die zu diesem Zweck immer aus den Nebenräumen des Doms geholt und an den Wänden befestigt wurden, waren bereits alle angebracht. Niemand wußte, wer sie einst hergestellt hatte und welchen Sinn sie besaßen. Es waren merkwürdige geformte Metallobjekte darunter, fremdartige Spiegel, verblichene Bilder und bis zur Unkenntlichkeit ineinander verschmolzene Glasfigürchen.
Vor dem großen Tor drängten bereits jene Besucher, die während der Weihe innerhalb des Domes Platz finden würden. Es waren Abgesandte von den verschiedensten Planeten der Galaxis Norgan-Tur.
Sobald die stählerne Hülle des Domes zum erstenmal schlug, würden die Zuschauer hereinkommen und auf den einfachen Bänken Platz nehmen. Soweit es zu ihren Gewohnheiten gehörte, Kleidung und Schmuck zu tragen, hatten die Besucher kostbare Gewänder und glitzernde Utensilien angelegt.
Wenn der Dom voll besetzt war, würde sich den Augen der Domwarte und Zeremonienmeister ein farbenprächtiges Bild bieten.
Und wenn Rhodan nicht zurückkehrte? fragte Skenzran sich unwillkürlich.
Wenn Radaut und die anderen Zeremonienmeister von den Gegebenheiten unterhalb des Domes wußten (und das war offenbar der Fall), woher nahmen sie dann ihre Ruhe?
Was machte sie so sicher, daß die Ritterweihe des Terraners stattfinden würde?
Skenzran knirschte mit den Hornstäbchen über seinem Mund, denn er begriff, wie groß der Unterschied zwischen einem Zeremonienmeister und einem Domwart doch war.
Insgeheim hatte er wegen dieser Tatsache schon immer einen heftigen Groll in sich genährt.
Er gab sich einen Ruck.
Meine Tochter paßt vielleicht hierher! dachte er wütend. Ich aber nicht!
Er sah, daß die Zeremonienmeister sich zu den Projektoren begaben.
Wollten sie all die Wesen, die mit ihren Raumschiffen nach Khrat gekommen waren, bereits jetzt hereinrufen?
Einer der anderen Domwarte, ein zyklopenhafter Amuter namens Kreyn, ergriff Skenzran am Arm.
„Es wird Zeit, daß wir unsere Plätze einnehmen", sagte er.
Skenzran deutete auf die verlassene Empore.
„Aber der, um den es geht, ist noch nicht hier!"
„Er wird kommen", beteuerte Kreyn, als sei er sich seiner Sache genauso
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