1056 - Die steinerne Charta
auch in Schottland, Irland, Frankreich, Jordanien, Japan, Peru, Indien und an vielen anderen Stellen. Die meisten davon sind inzwischen längst endgültig zerstört oder zerfallen."
Javier und Danton starrten Rhodan ungläubig an.
Roi deutete auf die zertrümmerte Box.
„Du willst doch nicht sagen ...?" setzte er an.
„Doch! Das Aussehen und die Formation dieser Steine hier lassen keinen Zweifel. Die Ähnlichkeit besteht. Sie kann überhaupt kein Zufall sein."
„Aber wie...?" begann Danton abermals.
„Wenn wir das wüßten!" Rhodan wirkte jetzt fast verzweifelt. „Wenn wir eine auch nur halbwegs plausible Erklärung finden könnten.
„Es gibt nur eine Erklärung", versetzte Roi entschieden. „Jemand hat irgendwann in ferner Vergangenheit einen Steinkreis auf der Erde gestohlen und ihn hier hergeschafft."
„Über eine Entfernung von sechsundachtzig Millionen Lichtjahren?" ereiferte sich Rhodan. „Das glaubst du doch selbst nicht!" Warum sollte sich jemand dieser Mühe unterziehen?"
Javier kam mit einer Frage hervor, die ihn mehr und mehr beschäftigte.
„Ich weiß nichts über die terranischen Steinkreise", gestand er. „Welche Bedeutung hatten sie, und von wem wurden sie errichtet?"
„Das war immer umstritten", antwortete Rhodan. „Es gab viele Theorien über die Erbauer und den Sinn der Steinkreise. Besonders fragwürdig erschien mir die Behauptung der Archäologen, Steinzeitkulturen hätten diese historischen Stätten hervorgebracht. Es gab Wissenschaftler, die behaupteten, in diesen Steinkreisen seien astronomische Daten verborgen; die Quader wären demnach nichts anderes als ein gewaltiges steinernes Buch, in dem man nur zu lesen verstehen muß."
„Wie auch immer", bemerkte Roi niedergeschlagen. „Diese Charta hat uns nichts mehr zu sagen. Ihre Botschaft ist verlorengegangen. Bilder und Buchstaben, die hier einmal eingeritzt waren, existieren nicht mehr."
„Da täuschst du dich sehr!" widersprach sein Vater.
Javier war verwirrt.
Was erwartete Rhodan?
Daß er von den Steinen in der Box nur eine Schicht Mörtel abzuschlagen brauchte, um an eine Botschaft heranzukommen? So naiv konnte Rhodan doch nicht sein. Javier befürchtete, daß Rhodan so fest an einen Erfolg dieser Mission geglaubt hatte, daß er nun nicht mehr in der Lage war, ihr Scheitern zuzugeben.
„Diese Steine", fuhr Rhodan fort, „bergen ein wichtiges Geheimnis. Ich hoffe, daß ich in der Lage bin, diese Botschaft zu verstehen."
Danton trat kopfschüttelnd in die Koje und strich mit den Händen über die raue Oberfläche eines Menhirs.
Er seufzte vernehmlich.
„Hier gibt es keine Botschaft, Alter."
Rhodan wirkte unverdrossen.
„Die Steine werden zu mir sprechen", verkündete er.
Javier und Roi Danton wechselten einen bestürzten Blick. So spurlos waren die Strapazen der vergangenen Tage doch nicht an Rhodan vorbeigegangen. Vor allem der psychische Streß, dem er ausgesetzt gewesen war, forderte nun seinen Tribut. Rhodans Nerven waren eindeutig überreizt.
„Wir sollten uns lieber damit abfinden, daß hier nichts zu holen ist, und uns überlegen, wie wir, ohne von den Trivers angegriffen zu werden, in den Dom zurückkehren können."
Rhodan schien überhaupt nicht zuzuhören.
Er begab sich in die Box und kroch unter den schweren Träger, so daß er ziemlich genau in der Mitte des Steinkreises in die Hocke ging.
Es schien eine kindische oder gar verrückte Tat zu sein; trotzdem fiel es Javier schwer, sie unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen. Vielmehr spürte er, daß eine entscheidende Handlung vollzogen wurde.
„Sprechende Steine!" sagte Rhodan. „Ein Mythos erfüllt sich."
Danton wollte seinem Vater folgen, aber Javier hielt ihn am Arm fest.
„Ich glaube, daß er genau weiß, was er tut", sagte der Kommandant der BASIS.
5.
In dem Augenblick, da er den Steinkreis betrat, spürte Perry Rhodan, daß er sich im Zentrum eines magnetischen Spannungsfelds befand. Diese Überzeugung entsprang sowohl einer körperlichen als auch geistigen Reaktion. Ihm war, als fließe Strom durch seinen Körper, ausgehend von den untersten Wirbeln seines Rückgrats. Gleichzeitig fühlte er, daß etwas an sein Bewußtsein rührte, eine geheime Kraft, die die ganze Zeit allgegenwärtig war, die er aber jetzt erst auf diese Weise wahrnehmen konnte.
Die Steine, die einen Ring um ihn bildeten, schienen auf eine besondere Art lebendig zu werden.
Rhodan sträubte sich nicht gegen die Reaktionen, denn er wußte, daß
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