1077 - Aura des Schreckens
trotzdem!"
Abermals hob er den Arm. Fest preßte er die Hand auf den Öffnungskontakt. Das Schott fuhr zur Seite, bevor Nikki ihn zurückhalten konnte. Als sie ihn packte und herumriß, war es zu spät.
„Wenn sie es bisher nicht bemerkt haben", schimpfte sie, „jetzt wissen sie es!"
„Und wenn schon!"
Er wollte sich aus ihrem Griff lösen, doch Nikki hielt ihn zurück.
„Was denkst du dir dabei?" schrie sie ihn an. „Glaubst du, mit deinen Rachegelüsten dienst du irgend jemand? Du machst alles nur noch schlimmer. Für dich selbst am meisten."
Langsam schien er zur Besinnung zu kommen. Seine Schultern hingen herab. Er senkte den Kopf.
„Ich mußte es versuchen", verteidigte er sich. „Sie haben meine Frau ermordet.
Begreifst du nicht, daß ich es tun mußte?"
„Was mußtest du tun?" Nikki blickte demonstrativ an ihm herab. „Nach draußen gehen, so wie du bist? In einer leichten Bordkombination, ohne Ausrüstung, ohne Waffen? Wie weit, glaubst du, wärst du gekommen? Wo hättest du angefangen, nach den Porleytern zu suchen, und wo aufgehört?"
„Das ist meine Sache."
„Und selbst wenn du einem Porleyter begegnet wärst", fuhr sie unerbittlich fort, „was hättest du gegen ihn ausrichten wollen? Ihn mit bloßen Händen angreifen?"
Geiko sah zu Boden. Er antwortete nicht.
„Weißt du, was ich glaube?" redete Nikki weiter auf ihn ein. „Du hast, wahrscheinlich unbewußt, eine Todessehnsucht. Du bist dir ganz genau darüber im klaren, daß du nicht lebend zurückkommen wirst, wenn du die RAKAL mit diesen Klamotten verläßt.
Deshalb wolltest du gehen. Das ist der eigentliche Grund!"
Er wand sich in ihrem Griff.
„Du quälst mich."
Seine Bewegung wirkte lahm und kraftlos. Für Nikki war das der beste Beweis, daß er sich ihrer Umklammerung in Wahrheit gar nicht entziehen wollte. Vielleicht fürchtete er, sein Gesicht zu verlieren, wenn sie ihn losließ.
„Du quälst dich selbst", hielt sie ihm vor. „Du labst dich förmlich an deiner Trauer, du steigerst dich hinein und erwartest wahrscheinlich, daß alle Welt dich ebenso bemitleidet, wie du selbst es tust. Was würde Cerai sagen, wenn sie dich so sehen könnte? Meinst du, ihr wäre es recht, daß du dich Stück für Stück kaputtmachst?"
Sein Gesicht verzerrte sich. Tränen der Wut und des Schmerzes stiegen „in seine Augen. Aber sie ließ nicht von ihm ab.
„Ich weiß, es ist unfair, so zu reden, doch vielleicht muß es sein. Niemand will dich quälen, auch wenn es dir so vorkommt. Finde endlich zu dir selbst zurück, Geiko! Das Leben geht weiter - du mußt es akzeptieren und die Umstände hinnehmen!"
Als er den Kopf abwandte, löste sie ihre Hand von seinem Arm. Er drehte sich um und hielt sich am Rahmen des Schottes fest. Seine Schultern zuckten.
Vielleicht hatte er nie in seinem Leben geweint - jetzt tat er es. Nikki stand still und wartete. Sie hatte Verständnis. In seinem ganzen Kummer, seiner Verwirrung, seinem Schmerz und seiner Existenzangst brauchte Geiko ein Ventil, um all das aus sich herauszulassen, womit er noch nicht fertig wurde. Tränen waren ein solches Ventil - ein besseres, als er es bisher gesucht hatte.
Nikki wußte nicht, wie lange er brauchte. Sie ließ ihm Zeit. Als die Schritte des anrückenden Sicherheitstrupps zu hören waren, straffte sich Geikos Gestalt. Er wandte sich um und wischte sich mit dem Handrücken über das Gesicht.
„Irgendwann muß ich mich wohl bei dir bedanken", sagte er rau. „Im Moment kann ich es noch nicht."
Nikki fühlte Erleichterung darüber, daß ihre Methode der Seelenmassage endlich Erfolg zu haben schien. Sie lachte ihn an, ohne ein Wort zu erwidern.
Es fiel ihm sichtlich schwer, aber Geiko lächelte zurück. Dann schüttelte er wie über sich selbst den Kopf. Die Geste hatte etwas Befreiendes, Gelöstes an sich.
„Woher hast du gewußt, daß ich das Schiff verlassen wollte?" fragte er. „Gerade hier, durch diese Schleuse?"
„Ich bin dir gefolgt", antwortete sie.
„Das heißt..." Geiko zögerte.
„Nach unserem letzten Gespräch hatte ich so eine Ahnung", erklärte sie. „Wir haben beschlossen, dich nicht aus den Augen zu lassen und abwechselnd deine Kabine beobachtet - Wido, Narktor und ich."
„Ihr habt mir nachspioniert...!"
„Ganz recht", gab sie unumwunden zu. „Und du kannst von Glück sagen, daß nicht der Springer sich an deine Fersen geheftet hat. Er wäre weniger rücksichtsvoll mit dir umgegangen."
Hinter dem Hangartechniker kam jetzt das
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