1081 - Die Mutprobe
Geschäfte oder Bekanntschaften war, denn da war Milena Spitze. So jedenfalls hatte ich es von Suko gehört. Und der wiederum wußte es von seinen Vettern, und darauf verließ er sich.
Milena Kovac war sensitiv veranlagt. Laut ihrer Aussage spürte sie das Böse, wenn es sich in der Nähe aufhielt, und so hatte sie auch Suko geködert. Ihm war erklärt worden, daß sich etwas Böses näherte und bald ihr Haus erreicht haben würde. Natürlich konnte sie nicht sagen, was es war, doch laut ihrer Aussage waren die Strahlungen so immens, daß sie hätte schreien können.
Ich war da skeptisch. Hatte allerdings in den sauren Apfel gebissen und wollte nicht mehr kneifen.
In kleinen Schlucken trank ich meinen Kaffee, während Milena auf einem gepolsterten Stuhl saß und die Hände auf ihre Oberschenkel gelegt hatte, die vom Rock des geblümten Kleides bedeckt wurden.
Sie schaute auf das Fenster. Die Augen hatte sie zu schmalen Schlitzen zusammengekniffen und war in sich selbst versunken. Als meine Tasse auf der Untertasse klirrte, als ich sie abstellte, zuckte die Frau zusammen und blickte mich an.
»Sorry«, sagte ich.
»Nein, Sie sollten sich nicht entschuldigen, Mr. Sinclair, wirklich nicht. Ich finde, daß Sie mich allmählich mit anderen Augen sehen sollten.«
»Mit welchen denn? Ich habe nur die beiden.«
Sie wollte den Spaß nicht verstehen und hob einen Zeigefinger. »Hören Sie auf zu spotten, Mr. Sinclair. Das ist kein Witz. Über das Böse macht man keine Scherze.«
»Wobei wir beim Thema wären, Mrs. Kovac.«
»Ach sagen Sie Milena.«
»Gut. Ich bleibe trotzdem bei meiner Aussage. Sie haben das Böse erwähnt. Das ist mir nach wie vor zu allgemein. Ich würde gern wissen, was tatsächlich dahintersteckt.«
»Ich auch«, gab sie zu. »Aber es ist nicht möglich. Tut mir leid. Ich weiß es selbst nicht genau. Sie wollen etwas Konkretes, das verstehe ich, aber ich kann Ihnen da noch nicht helfen. So leid es mir tut. Ich warte ja auch darauf. Es ist nur das Gefühl. Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Mittlerweile ist es eine Gewißheit. Das Böse ist dabei, wieder zurückzukehren. Das empfinde ich als so schlimm.«
»Und Sie kennen den Ort nicht, wo man es begraben oder versteckt hat?«
Milena zuckte die Achseln. »Nicht weit von hier«, sagte sie. »Da ich mir nicht sicher bin, möchte ich dazu auch nichts sagen und Sie womöglich auf eine falsche Fährte führen.«
»So kann man es wohl auch sehen.«
»Das muß man.«
Suko mischte sich ein. »Versuche, deine Unruhe in den Griff zu kriegen, John. Ich rechne fest damit, daß wir in den nächsten Stunden noch unsere Begegnung haben werden.«
Die nächsten Stunden konnten lang werden. Es war zwar noch nicht Mitternacht, aber die herbstliche Dunkelheit hatte sich bereits ausgebreitet. Ich dachte daran, daß an diesem 23. September der Tag ebenso lang war wie die Nacht und daß es danach abwärtsging. Da konnten wir uns auf die dunkle Jahreszeit einstellen.
Hier sitzen und warten, bis die Knochen lahm wurden, das wollte ich auch nicht. Deshalb stand ich auf. Ich sah, daß sich Suko drehte und mich fragend anschaute.
»Ich schaue mich nur um.«
»Draußen?«
»Könnte sein.«
»Aber bleiben Sie hier, bitte.«
»Schon gut, Milena, schon gut.« Suko lächelte der Frau zu und schenkte danach neuen Tee ein.
Ich mußte mich ducken, um nicht gegen den Querbalken der Tür zu stoßen. Einen Schritt später stand ich in einem schmalen Flur. Es gab hier noch drei Türen. Eine führte in das Arbeitszimmer der Milena, eine andere in eine kleine Küche, und hinter der dritten lag eine Toilette.
Oben war es dann enger. Hinter der Treppe gab es nur noch das Schlafzimmer sowie ein später eingebautes Bad. Das hatte uns Milena alles berichtet.
Zwei weitere Türen befanden sich ebenfalls im unteren Bereich. Eine führte zur Vorder-, die andere zur Rückseite.
Alles war hier auf engstem Raum zusammengepackt. Man konnte schon leicht Platzangst bekommen, und auch ich fühlte mich nicht gerade wohl. An den Wänden hingen vergilbte Bilder. Zeitungsausschnitte unter Glas, die über die Taten der Milena berichteten, und auf die sie sehr stolz war.
Ich hatte mich nach links gewandt, ging über den dunklen Teppich, und mein Ziel war eine kleine Leuchte, die rechts neben der Hintertür ihr Licht abgab.
Mein Körper wanderte auch als Schatten neben mir her. Die hintere Tür war nicht verschlossen, nur von innen verriegelt. Ich schob den Riegel zur Seite und öffnete das
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