1085 - Rattenliebe
um uns herum laut genug war. »Was sind deine Probleme?«
»Die gibt es nicht.«
»Ach.«
»Moment, John, bevor du weiter fragst. Nicht ich habe sie, sondern ein Klient von mir. Er kam zu mir, weil er nicht weiter wußte.« Jane unterbrach sich, weil die bestellten Getränke serviert wurden.
Erst als die Bedienung außer Hörweite war, redete sie weiter. »Der Mann weiß nicht, was er machen soll. Er hatte sich nicht getraut, zur Polizei zu gehen, obwohl er ein Fall für sie gewesen wäre. Was ihm widerfahren ist, das ist kaum nachzuvollziehen. Der Mann wurde von Ratten gebissen und konnte soeben noch entkommen.«
Ich war dabei, das Wasser aus der Flasche in das Glas zu kippen und räusperte mich. »Ratten also?«
Dann stellte ich die Flasche wieder zurück. »Sie scheinen sich zu einem Übel zu entwickeln. Mit diesem Problem haben wohl alle Großstädte auf der Welt zu kämpfen.«
»Da gebe ich dir recht, John, füge noch ein Aber hinzu.«
»Ich habe es mir gedacht.«
Jane ließ mich erst den Whisky probieren, bevor sie weitersprach. »Es ist kein allgemeines Rattenproblem, John. Bei meinem Klienten kann man von einem sehr speziellen sprechen. Er wurde, das sagt er zumindest, mit Ratten konfrontiert, die darauf abgerichtet waren, ihn anzugreifen. Jemand hat ihn bewußt in die Situation und damit auch in die Falle hineingebracht.«
Ich ließ die Worte sacken wie den Whisky. »Hat dieser Jemand auch einen Namen?«
»Eine Frau.«
Über die knappe Antwort mußte ich lächeln. »Wir immer oder wie so oft sind es die Frauen.«
»Komm, spiel hier nicht den Macho. Die Kiste ist ernst. Du hättest dir die Wunden mal ansehen müssen, dann würdest du anders reden. Den Mann hat es brutal erwischt. Er befindet sich jetzt in einer Privatklinik, in der man nicht so viel fragt, aber das war schon eine verdammte Sache, John.«
»Den Namen, Jane!«
Erst trank die Detektivin das Glas fast leer, dann gab sie die Antwort. »Die Frau heißt Teresa.«
»Schöner Name. Und weiter?«
Jane hob die Schultern. »Keine Ahnung, das wußte mein Klient selbst nicht. Diese Frau hat ihn wahnsinnig gemacht. Verrückt. Er war wie von Sinnen und konnte an nichts anderes mehr denken. Nur noch an seine Teresa. Er hat alles für sie getan. Es muß ihn wie ein Blitzschlag erwischt haben. So etwas gibt es ja.«
»Was tat er denn für sie?« fragte ich.
Jane Collins lachte, doch es klang nicht fröhlich. »Er sollte einen Test bestehen und ließ sich dafür eine Nacht einsperren. Und zwar in ein Verlies. In der tiefsten Finsternis, die du dir vorstellen kannst. Verrückt, sage ich dir…«
»Und dann kamen die Ratten?«
»Erfaßt, John. In der Dunkelheit kamen sie. Sie haben ihn angesprungen, sie haben ihn gebissen. Sie waren überall, und er hat es sich gefallen lassen.«
»Und trotzdem ist er entkommen?«
»Ja.«
»Wie das?«
»Teresa holte ihn am nächsten Morgen raus. Sie lachte und war der Meinung, daß er ihre Ansprüche nicht erfüllt hätte. Dann ließ sie ihn allein, und er schaffte es, sich wegzuschleppen.«
Ich runzelte die Stirn. »Welche Ansprüche sollten das denn gewesen sein?«
»Wenn ich dir das sage, verlierst du den Glauben an die Menschheit.«
»Versuch es trotzdem. Ich bin einiges gewohnt.«
Jane sprach jetzt leiser. »Diese Teresa ist ein exzentrisches Geschöpf, um es mal positiv zu sagen. Sie erklärte ihm, daß er zunächst eine Prüfung bestehen müsse, um mit ihr schlafen zu dürfen. Wenn sie positiv ausfiele, sei alles okay.«
»Was heißt das genau?«
»Daß die Ratten zu seinen Freunden werden und ihm nichts tun. Man kann davon ausgehen, daß diese Teresa ebenfalls eine gute Freundin der netten Vierbeiner ist.«
Ich mußte lachen, ob ich wollte oder nicht. »Das hat dieser Mann freiwillig getan? Sich mit den Ratten zusammen einsperren lassen? Himmel, muß das eine Frau sein. Man kann ja vieles dafür tun, aber sich mit Ratten zusammen einsperren lassen…«
»Augenblick, John, das hat sie ihm vorher nicht gesagt. Er dachte daran, allein in diesem Verlies zu bleiben. Die Überraschung kam erst später.«
Ich zuckte die Achseln und sagte: »Manche Männer haben den Verstand eben irgendwo.«
»Werde nicht schlüpfrig, das ist ernst genug.« Jane hob die Schultern. »Ich jedenfalls habe mit diesem Auftrag meine Probleme.«
»Bei denen ich dir helfen soll.«
»Zum Beispiel.«
»Wie denn?«
»Du könntest diese Teresa aufsuchen.«
»Klar, könnte ich. Dazu müßte ich nur wissen, wo ich sie
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