1090 - Für immer und ewig
dem ein grauer Himmel schwebte und dem Tageslicht eigentlich nicht viel Chancen ließ.
Hin und wieder leuchtete das Brautkleid der lebenden Toten wie ein flatterndes Leichenhemd zwischen den Lücken auf. Aber sie erkannte, daß ihr Ziel nicht mehr weit entfernt war. Ihre Vorfahren hatten die kleine Kirche auf einen Hügel gebaut. Sie war wirklich nur noch eine Kapelle ohne Turm.
Auf dem Dach hatte mal ein Kreuz gestanden, jetzt nicht mehr.
Die wechselhafte und launische Natur hatte auf den Mauern der Kapelle ihre Spuren hinterlassen.
Früher waren sie einmal grau gewesen. Jetzt sahen sie grün aus, wie von einem dünnen Moosschleier bedeckt, der sich unter dem schmutzig wirkenden Dach noch verdichtete. Das Dach selbst war am stärksten in Mitleidenschaft gezogen worden. Herumfliegende Äste und Zweige hatten es an einigen Stellen zerstört. So konnte der Regen ungehindert in die kleine Kapelle eindringen, in der es dann nie richtig trocken wurde.
Die alte Tür war ebenfalls noch vorhanden. Davor baute sich eine kniehohe Wand aus Blättern auf, die der Wind an diese Stelle geschaufelt hatte.
Sir Henry ließ seine Frau los. Er bewegte sich ruckartig, als er die Hand nach der gebogenen und schweren Klinke ausstreckte. Sie klatschte darauf. Ebenso langsam krümmte er die Finger, zog die Tür aber noch nicht auf, sondern schaute seine Gattin an.
»Bald ist es soweit.«
»Ja, ich freue mich.«
»Man wird uns nie wieder trennen.«
Sir Henry richtete sein schlecht vernähtes Gesicht so, daß Elisa ihn anschauen konnte. »Niemals, das verspreche ich dir. Und beide werden wir unserem Freund Frank N. Stone für alle Zeiten in Dankbarkeit verbunden sein.«
»Es ist schön, das zu hören.«
Sir Henry Ashford hatte genug gesprochen. Er wollte endlich die Tür öffnen, und er zerrte sie auf.
Sie leistete ihm Widerstand, aber der Untote war zäh und schaffte es, den Eingang ruckartig freizulegen.
Kühle Luft strömte ihnen entgegen. Das merkten sie nicht, denn bei ihnen waren die menschlichen Empfindungen ausgeschaltet. Sie wollten ihre Trauung, und sie wollten dann für immer und ewig zusammenbleiben.
Elisa schaute zu ihm hoch. Ihr deformiertes Gesicht verzerrte sich noch stärker. »Darauf habe ich so lange gewartet.«
»Ich auch. Geh du vor…«
»Gern, Henry…«
***
Suko hatte sich um Linda Drew gekümmert und sie in das kleine Wohnzimmer geholt. Dort hockte sie in einem Sessel, hatte starken Gin getrunken, den Suko noch gefunden hatte, und er hoffte, daß sie möglichst schnell in der Lage war, ihm alles zu berichten, denn viel Zeit blieb ihm nicht, das spürte Suko.
Peter Burgess war nicht mitgekommen. Er hielt sich am Eingang auf. Ab und zu hörte Suko einen schweren Atemzug, und Burgess hatte auch davon gesprochen, daß er sich am Tod seines Sohnes schuldig fühlte und nun schwer büßen würde.
Auch dieser Mann brauchte Unterstützung, aber wichtiger war Linda Drew, da sie aus dem Haus kam, zu dem John Sinclair und Glenda Perkins gefahren waren.
Der Gin hatte seine Wirkung nicht verfehlt. Zwar hatte sich Linda nicht beruhigt, aber sie schaffte es zumindest, ihre Worte so zu sprechen, daß sie auch verstanden werden konnten.
Suko wußte, was zwischen ihr und Jay vorgefallen war, an das große Grauen war er noch nicht herangekommen. Sie fürchtete sich noch, darüber zu sprechen.
So fragte der Inspektor behutsam nach. Er war zudem froh darüber, daß John und Glenda noch die Stellung hielten. Im Laufe der nächsten Minuten bekam er heraus, was da abgelaufen und wie knapp Linda einem schrecklichen Tod entkommen war.
Sie war dann einfach weggelaufen. Zum Glück hatte sie unterwegs einen Bekannten getroffen, der sie bis zum Haus hier mitgenommen hatte. Jetzt war sie am Ende. Immer wenn sie von den Ashfords sprach, überkam sie ein gewaltiges Zittern, das schon einem Schüttelfrost glich. Die Furcht wollte einfach nicht weichen.
Suko mußte hin, das war ihm klar. Er ärgerte sich jetzt, ohne fahrbaren Untersatz zu sein. Es war schon ein langer Weg bis zum Ziel. Er würde Peter Burgess bitten ihm seinen Wagen zu geben, der sicherlich hier irgendwo stand.
»Was wird denn jetzt mit mir?« flüsterte Linda.
Suko legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Sie bleiben am besten hier, meine Liebe. Ich weiß selber, daß es nicht optimal ist, aber glauben Sie mir, in Ihrer Lage ist es das beste.«
»Ich habe Angst, Inspektor.«
»Das kann ich mir denken. Sie brauchen keine Sorgen zu haben. Weder der Lord
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