1091 - Das Geschöpf
hervorstanden.
Ich riskierte einen Blick zu Manuel hin.
Er war nicht mehr vereist. Weinend und zitternd stand er auf dem Fleck. Das Kreuz hielt er mit beiden Händen fest und sah aus wie ein Meßdiener ohne Gewand.
Das Geschöpf schnellte hoch. Es fiel wieder zurück. Es kratzte über den Boden hinweg. Es überschlug sich, es jaulte, und mit einem Satz kam es wieder hoch.
Wie ein Panther, der sich auf seine Hinterbeine gestellt hatte, stand es vor mir, die vorderen Arme hochgerissen, die beiden Messer umklammert. Es sah aus, als wollte es sich mir entgegenstürzen.
Die Tür flog weit auf.
Ein Schatten huschte in die Küche hinein, der zu einem Menschen namens Suko wurde und die Szene innerhalb kürzester Zeit überblickt hatte.
Suko achtete überhaupt nicht auf mich. Er sah nur das Monster in seiner unnatürlichen Haltung und gab ihm den Rest.
Mit der Dämonenpeitsche schlug er zu. Die drei Riemen erwischten den sandfarbenen Körper an verschiedenen Stellen und bohrten sich tief in die Haut. Bald waren die ersten Furchen entstanden, die sich immer tiefer gruben.
Das Geschöpf stand noch immer, und es starb auch im Stehen. In drei Teile zerfiel es. Drei Stücke klatschten zu Boden. Eine dicke Flüssigkeit, aber kein Blut, rann aus den Wunden. Stinkende Lachen, die gelb wie Eiter aussahen.
Suko schaute mich an und nickte.
»Alles klar«, sagte ich und drehte mich um.
Ich ging auf Manuel zu.
Der Junge lächelte mir entgegen. Ich nahm das Kreuz wieder an mich. Er brauchte es nicht mehr.
Eine Frage stellte er mir trotzdem. »Jetzt ist alles vorbei - oder?«
»Ja«, sagte ich. »Für dich ist alles vorbei. Es kommt nie, nie mehr zurück.«
***
Gloria Esteban war überglücklich, ihren Sohn wieder in die Arme schließen zu können. Sie hatte im Flur auf uns gewartet, und ich wußte mittlerweile, was mit Old Jugg geschehen war.
Ein schlimmes Schicksal hatte ihn ereilt. Spezialisten würden seinen Kopf aus der Mauer entfernen müssen, in der jetzt kein Schatten mehr steckte und sie beeinflußte.
Ich mußte einfach frische Luft einatmen und ging nach draußen. Es hatte zu schneien begonnen.
Kleine, eiskalte Körner rieselten aus den Wolken und fielen als lange, breite Bahnen durch das Licht der Laternen.
Die Körner kühlten mein Gesicht, und ich dachte daran, daß wir erst vor gut zwei Stunden hier angekommen waren. Die Uhr zeigte nicht einmal Mitternacht.
Auch Suko kam jetzt aus dem Haus. Er sah mich und blieb neben mir stehen. »Hättest du gedacht, daß der ganze Spuk in dieser kurzen Zeit vorbei sein würde?«
»Nein. Aber so ist das Leben. Manchmal hängt man tagelang an einem Fall und kommt nicht weiter, dann geht alles rasend schnell. Es wird keine vereisten Leichen mehr geben. Das Tor zur anderen Dimension ist wieder geschlossen.«
»Wie lange?« fragte Suko.
»Hoffentlich lange genug. Meinetwegen sogar für immer.«
»Optimist«, erwiderte Suko lachend, und ich wußte, daß er damit recht hatte, denn das Tor zu den Dimensionen des Unheils würde sich nie völlig schließen…
ENDE
Weitere Kostenlose Bücher