Das Haus der verschwundenen Jahre
Gerade als der zehnjährige Harvey Swick glaubt, der triste, graue Februar werde nie vorübergehen und er werde den Sommer nicht mehr erleben, taucht wie ein Wunder Rictus auf und lädt ihn ein in das Ferienhaus des Mr. Hood. Diesem Angebot kann der kleine Harvey nicht widerstehen, und er folgt Rictus an diesen paradiesischen Ort, wo Kindern jeder Wunsch erfüllt wird und wo jeden Morgen Frühling ist, jeden Mittag Sommer, jeden Abend Herbst (und ein Halloween-Fest) und jede Nacht weiße Weihnachten.
Es ist ein Paradies für Kinder, doch das Ganze hat natürlich seinen Preis … Unheimliche Dinge geschehen, und irgendwann schleicht sich Unbehagen ein. Harvey drängt es nach Hause. Aber Hood will ihn nicht gehen lassen, er will die Seele dieses Jungen … Plötzlich erkennt Harvey, daß er mehr Gefangener als Gast ist, und er setzt alles daran, Hood und den gräßlichen Kreaturen, die dessen Reich bewachen, zu entkom-men. Ein Kampf auf Leben und Tod beginnt …
Eine herrlich erzählte Geschichte, ein schaurig-schönes Märchen für Kinder wie Erwachsene, mit Illustrationen des Autors, die den gruseligen Reiz noch erhöhen.
Clive Barker , 1952 in Liverpool
geboren, erlangte Berühmtheit mit
seinen »Büchern des Blutes«, die ihm
den Ruf eines »neuen Stephen King«
einbrachten. Ausgezeichnet mit dem
World Fantasy Award, lebt Barker seit
einigen Jahren in Los Angeles. Er
schreibt Romane, Stories, Drehbücher
und führt auch selbst Regie.
Clive Barker
Das Haus
der verschwundenen Jahre
Aus dem Englischen
von Eva L. Wahser
Für M. S. S.
WILHELM HEYNE VERLAG
MÜNCHEN
Titel der englischen Originalausgabe:
THE THIEF OF ALWAYS
Die Originalausgabe erschien 1992 bei
HarperCollins Publishers, London
Copyright © 1992 by Clive Barker
Copyright © 1995 der deutschen Ausgabe
by Wilhelm Heyne Verlag GmbH St Co. KG, München Alle Illustrationen, einschließlich der Schutzumschlagillustration, Copyright © 1992 by Clive Barker Umschlaggestaltung der deutschen Ausgabe: Atelier Ingrid Schütz, München
Satz: Leingärtner, Nabburg
Druck und Bindung: Wiener Verlag, Himberg Printed in Austria
ISBN 3-453-08699-6
I
Harvey
halb-und-halb
D as große, graue Untier namens Februar hatte Harvey Swick mit Haut und Haar verschlungen. Da lag er nun tief im Bauch des Alptraummonats und grübelte. Würde er je aus diesem Labyrinth herausfinden, das sich wie eine Eiswüste zwischen nun und Ostern erstreckte?
Viel Hoffnung hatte er nicht. Während die Stunden im Schneckentempo vergingen, würde er sich vermutlich so schrecklich langweilen, daß er eines schönen Tages einfach vergessen würde zu atmen. Gut möglich, daß die Leute dann herumrätseln würden, warum so ein lieber und netter Junge in so jungen Jahren hatte dahinscheiden müssen. Und zu guter Letzt würde daraus ein berühmter Kriminalfall, den nur ein großer Detektiv lösen könnte, wenn er einen Tag aus Harveys Leben exakt rekonstruierte.
Dann – und nur dann – würde die grausige Wahrheit ans Licht kommen. Zuerst würde der Detektiv Harveys allmor-gendlichen Schulweg durch die tristen Straßen abschreiten, Meter um Meter. Dann würde er sich an Harveys Pult setzen und dem unverständlichen Gebrabbel des Geschichtslehrers und des Mathematiklehrers zuhören. Und es wäre ihm völlig schleierhaft, wie der kleine Held dabei die Augen hatte offenhalten können. Und während sich auch dieser vergeudete Tag in die Dämmerung verkröche, würde er sich auf den Heimweg machen und schließlich wieder vor dem Haus ankommen, wo er am Morgen aufgebrochen war. Garantiert würden ihn die Leute dann fragen, warum eine so unschuldige 8
Seele wie Harvey hatte sterben müssen. Und kopfschüttelnd würde er sagen:
»Das ist ganz einfach.«
»So?« würde die Menge neugierig fragen. »Nun erzählen Sie schon.«
Und der Detektiv würde sich eine Träne abwischen und antworten:
»Harvey Swick wurde von dem großen, grauen Untier namens Februar aufgefressen.«
E ines stand jedenfalls fest: Dieses war ein Horrormonat, so unendlich trist und trübe. Eine Weile waren die wunderschönen Weihnachtstage noch ganz nah gewesen, doch mit jedem Tag wurde Harveys Erinnerung daran ein bißchen blasser. Und bis zum Sommer war es noch so lange hin, daß der auch gut und gern eine Erfindung sein konnte. Sicher gab es noch so etwas wie Osterferien, nur wann? In fünf Wochen? Leider war Rechnen nicht gerade Harveys Stärke; deshalb versuchte er auch gar nicht erst, die Tage zu
Weitere Kostenlose Bücher