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1091 - Das Geschöpf

1091 - Das Geschöpf

Titel: 1091 - Das Geschöpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Von Betrieb konnte man nicht sprechen. Es gab Straßen, es gab Häuser, es gab hin und wieder Laternen, deren Lichter das dunkle, oft rissige Pflaster umschmeichelten und es so aussehen ließen wie von Seelen bedeckt, die sich verlaufen hatten.
    Wir waren an Kneipen vorbeigefahren, auch an Häusern, in denen niemand mehr wohnte. Wir hatten hin und wieder das Wasser gesehen, auch die warme Luft, die nebelartig aus den Gullys strömte.
    Den Weg zum Ziel hatten wir uns zuvor angesehen. Irgendwann würde eine Stichstraße rechts abführen, die dann an einem Hafenbecken endete. Zuvor mußten wir noch die Rückseite eines großen, kasernenähnlichen Hauses passieren, hinter dessen Mauern ein Seemannsheim untergebracht war.
    Sailor's Home, hieß es. Ein Relikt aus alter Zeit, das viele Jahrzehnte überstanden hatte und auch nicht abgerissen wurde, weil es den Menschen noch immer Obdach bot.
    Ich fuhr vorsichtig. Hier in der Nähe des Wassers mußte ich bei diesen Temperaturen mit Glatteis rechnen. Auf dem Pflaster schimmerte es gefährlich hell, und auch Suko saß jetzt angespannter neben mir.
    Rechts tauchte die Rückseite des Seemannsheims auf. Ein mächtiger Bau. Langgestreckt, fensterlos.
    Eine Wand aus Steinen, die sich bis hoch zum flachen Dach zog, auf dem die Kamine kantig hervorstanden.
    Ein Mann fiel mir auf.
    Er hockte auf dem Boden. Eingehüllt in eine dicke Jacke, die Mütze auf dem Kopf, einen Schal um den Hals, ein bärtiges Gesicht, und Augen, die blinzelnd in das Licht der Scheinwerfer schauten, als wir uns ihm näherten. In seinen Händen hielt er eine Ziehharmonika, ein Schifferklavier, doch er spielte nicht.
    »Will der festfrieren?« fragte Suko. »Das könnte mir einfallen, um diese Zeit draußen zu hocken und zu spielen.«
    »Er spielt doch nicht.«
    »Sehe ich auch. Warum dann das Instrument?«
    »Vielleicht spielt er, wenn wir anhalten.«
    »Soll ich lachen?«
    Der Mann hob nicht einmal den Arm, um sein Gesicht zu schützen. Allerdings drehte er den Kopf, als wir an ihm vorbeiglitten. Dabei legte er seine Hand auf das Instrument, wie jemand, der Angst davor hatte, daß es ihm gestohlen werden könnte.
    Wenig später hatten wir ihn passiert, und Suko schüttelte noch immer den Kopf.
    Er saß aber starr, als er das Klopfen hörte.
    Auch ich bewegte mich nicht.
    Es hatte unseren Wagen erwischt. Zwei harte Schläge gegen die Fahrertür. Das gleiche Geräusch hörten wir vom Dach her und auch vom Kofferraum. Dort hatte es den Rover ebenfalls erwischt.
    Aber es war niemand zu sehen gewesen.
    Ich bremste.
    Suko hatte sich schon losgeschnallt. Er saß noch und drehte sich auf dem Sitz, weil er durch die Scheiben sehen wollte und trotzdem nichts zu Gesicht bekam.
    »Das haben wir uns doch nicht eingebildet.«
    »Stimmt.«
    »Bist du gegen ein Hindernis gefahren, John?«
    »Hast du eins gesehen?«
    »Nein.«
    Wir stiegen aus. Ich öffnete die Tür an meiner Seite langsamer. Sie stieß weder gegen ein Hindernis noch an die Mauer des Sailor's Home. Ich konnte den Wagen ebenso wie Suko normal verlassen.
    Im Auto war es warm gewesen. Jetzt spürten wir die Kälte, die auf uns lastete. Es war nicht windig, zumindest nicht hier, aber feucht, und das machte das Wetter wenig angenehm.
    Ich schaute an der rechten Fahrerseite nach, ohne etwas zu entdecken. Es gab keine Beule im Metall, und irgendwelche Kratzer konnte ich bei dem Licht nicht sehen.
    Suko suchte das Dach so gut ab wie möglich. Auch dort sah er keine Veränderungen, wie er mir sagte, und so blickten wir uns über den Wagen hinweg an.
    »Geirrt haben wir uns nicht«, sagte ich. »Ich habe auch hier kein Hindernis gesehen.«
    »Eben.«
    »Was war es dann?«
    »Ein Angriff aus dem Unsichtbaren.«
    Ich schüttelte den Kopf. Daran wollte ich nicht glauben, obwohl wir schon die unwahrscheinlichsten Dinge erlebt hatten und so etwas nicht ausschließen konnten. Aber dafür gab es auch keinen Grund.
    Ich drehte mich herum, um die Mauer des Sailor's Home nicht mehr im Rücken zu haben. Mein Blick glitt über das Gestein hinweg. Die Hoffnung, eine Lücke zu finden, erfüllte sich nicht. Die Mauer blieb dicht und fest geschlossen. Stein auf Stein, dick und klotzig, dabei bräunlich schimmernd oder mit einer dünnen Moosschicht bedeckt.
    Von dort war der Angriff nicht erfolgt.
    Also doch eine Täuschung.
    In diesem Augenblick erreichte uns die Musik. Der bärtige Mann begann zu spielen. Er hatte sein Instrument aufgenommen, drückte es zusammen, zog es auseinander

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