Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
Vom Netzwerk:
schamhafte Wechsel ins Französische?, fragen Sie mich. Was geschieht mit den Fakten, wenn Sie sich der englischen Sprache bedienen? Wie fühlt es sich an, wenn Sie sie in Ihrer Sprache aussprechen, Gideon?
    Lächerlich. Grotesk. Unerhört. Raphael Robson und meine Mutter ein Liebespaar? Was für eine Vorstellung! Meine Mutter und dieses ewig schwitzende Monster? Mit seinem Schweiß hätte man schon vor zwanzig Jahren den ganzen Garten wässern können.

12. September
    Der Garten. Blumen. Lieber Gott. Ich erinnere mich plötzlich an diese Blumen, Dr. Rose. Ich entsinne mich, dass Raphael Robson mit einem Riesenstrauß zu uns ins Haus kam. Der Strauß ist für meine Mutter. Sie ist da, das heißt, es ist entweder Abend, oder sie ist an diesem Tag nicht zur Arbeit gegangen.
    Ist sie krank?, fragen Sie mich.
    Ich weiß es nicht. Aber ich sehe die Blumen. Viele verschiedene, so viele verschiedene Arten, dass ich sie nicht alle benennen kann. Es ist der prächtigste Strauß, den ich je gesehen habe. Stimmt, ja, sie muss krank sein. Raphael bringt die Blumen nämlich in die Küche und verteilt sie eigenhändig in mehreren Vasen, die meine Großmutter ihm heraussucht. Aber sie kann nicht bleiben und ihm helfen, weil Großvater aus irgendeinem Grund Aufsicht braucht. Seit Tagen schon müssen wir auf Großvater aufpassen, und ich weiß nicht, warum.
    Eine »Episode«?, fragen Sie. Hat er einen psychotischen Schub?
    Ich weiß es nicht. Aber es ist alles durcheinander. Meine Mutter ist krank. Großvater muss oben in seinem Zimmer bleiben, und die ganze Zeit läuft Musik, um ihn zu beruhigen. Sarah-Jane Beckett und James, der Untermieter, stehen dauernd irgendwo in der Ecke und tuscheln, und wenn ich ihnen zu nahe komme, macht sie ein strenges Gesicht und sagt, ich soll mich wieder an meine Aufgaben setzen, obwohl ich gar keine Unterrichtsstunde hatte und folglich auch keine Aufgaben bekommen habe. Ich ertappe Großmutter auf der Treppe, weinend. Ich höre meinen Vater irgendwo brüllen, hinter einer geschlossenen Tür, denke ich. Schwester Cecilia war da, und ich habe beobachtet, wie sie im oberen Flur mit Raphael gesprochen hat. Und dann die vielen Blumen. Raphael und die Blumen. Massenhaft Blumen, von denen ich nicht einmal die Namen weiß.
    Er trägt sie in die Küche, und ich muss im Wohnzimmer warten. Er hat mir eine Übungsaufgabe gegeben, um mich zu beschäftigen. Heute noch erinnere ich mich an diese Aufgabe. Tonleitern! Ich soll Tonleitern üben, etwas, das ich hasse und das meiner Meinung nach weit unter meiner Würde liegt. Ich weigere mich also. Ich stoße meinen Notenständer um und ich schreie, dass diese blöde Musik langweilig ist und ich nicht eine Minute länger spielen werde. Ich will fernsehen. Ich will Milch und Kekse haben. Ich will, ich will, ich will.
    Im Nu ist Sarah-Jane da. Sie sagt - ich erinnere mich wortwörtlich, Dr. Rose, weil mir so etwas noch nie gesagt wurde: »Hör auf damit! Du bist nicht mehr der Nabel der Welt. Benimm dich endlich.«
    Nicht mehr der Nabel der Welt?, wiederholen Sie nachdenklich. Dann wird das also nach Sonias Geburt gewesen sein.
    Ja, so muss es sein.
    Und - können Sie irgendwelche Verbindungen herstellen?
    Was für Verbindungen?
    Nun - Raphael Robson, die Blumen, Ihre weinende Großmutter, Sarah-Jane Beckett und der Untermieter, die in der Ecke stehen und klatschen.
    Ich habe nicht gesagt, dass sie klatschen. Sie stecken nur die Köpfe zusammen und tuscheln, vielleicht haben sie ein Geheimnis miteinander. Wer weiß. Vielleicht haben sie ein Verhältnis.
    Ja, ja, schon gut, Dr. Rose. Ich sehe selbst, wie ich immer wieder auf das Thema heimliche Liebe zurückkomme. Darauf brauchen Sie mich nicht hinzuweisen. Und ich weiß auch, was Sie wollen. Sie wollen mich kontinuierlich und gnadenlos immer näher an meine Mutter und Raphael heranführen. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, wo der Weg enden wird, wenn wir die Hinweise ruhig und sachlich betrachten: Raphael und die Blumen, Großmutters Weinen, das wütende Gebrüll meines Vaters, der Besuch Schwester Cecilias, das Getuschel Sarah-Janes und des Untermieters ... Ich weiß, wohin uns das führen wird, Dr. Rose.
    Was hindert Sie daran, es auszusprechen?, fragen Sie, Ihren ernsten, aufrichtigen Blick auf mich gerichtet.
    Nur Ungewissheit.
    Wenn Sie es aussprechen, werden Sie überprüfen können, wie es sich anfühlt und ob es stimmig ist.
    Also gut. Meinetwegen. Raphael Robson hat meine Mutter geschwängert, und sie hat nun

Weitere Kostenlose Bücher