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11 - Nie sollst Du vergessen

11 - Nie sollst Du vergessen

Titel: 11 - Nie sollst Du vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth George
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von denen jeder in irgendeinem Orchester spielt, wie etwa seine Schwester, die seit mehr als zwanzig Jahren in einer Hippieband namens Plated Starfire die elektrische Gitarre schwingt -bisher einzig dadurch ausgezeichnet, dass er sein großes Können an andere weitergegeben hat. Öffentliche Auftritte haben ihn immer überfordert.
    Ich bin seine Garantie auf Ruhm, mir hat er es zu verdanken, dass er im Lauf der letzten zwei Jahrzehnte eine Anhängerschaft viel versprechender Wunderkinder samt Eltern um sich scharen konnte. Aber das alles wird vorbei sein, wenn ich mein Problem nicht in den Griff bekomme. Dass Raphael nie auch nur den Versuch gemacht hat, sein Problem in den Griff zu bekommen - ich meine, es kann doch nicht normal sein, dass ein Mensch tagtäglich drei Hemden und ein Jackett durchschwitzt -, ist völlig unwichtig. Ich soll gefälligst was für meine Psyche tun.
    Raphael war, wie ich schon sagte, derjenige, der Sie ausfindig gemacht hat, Dr. Rose. Das heißt, er machte Ihren Vater ausfindig, nachdem der Neurologe zu dem Schluss gekommen war, dass mir körperlich nichts fehlt. Er hat also ein zweifaches Interesse an meiner Genesung: Erstens hat er wesentlich dazu beigetragen, dass ich mich in Ihre Behandlung begab, das heißt, ich werde tief in seiner Schuld stehen, wenn es uns beiden, Ihnen und mir, gelingen sollte, die Störung zu beheben, die mich plagt; und zweitens wird die Fortsetzung meiner Karriere als Geiger die Fortsetzung seiner Karriere als mein Mentor bedeuten. Raphael liegt also sehr viel daran, dass ich möglichst bald wieder gesund werde.
    Sie finden mich zynisch, nicht wahr, Dr. Rose? Ein weiterer Knick im Stoff meines Charakters. Aber vergessen Sie nicht, dass ich Raphael Robson seit Jahren kenne. Ich weiß, wie er denkt und was er will. Wahrscheinlich besser als er selbst.
    Ich weiß zum Beispiel, dass er meinen Vater nicht leiden kann.
    Und ich weiß, dass mein Vater ihn im Lauf der Jahre schon x-mal gefeuert hätte, wäre nicht sein Unterrichtsstil - der dem Schüler erlaubt, seine eigene Methode zu entwickeln, anstatt ihn in eine Schablone zu pressen - genau das gewesen, was ich brauchte, um meine Begabung voll zu entfalten.
    Warum kann Raphael Ihren Vater nicht leiden?, fragen Sie neugierig, unsicher, ob diese Feindseligkeit zwischen den beiden Männern vielleicht die Wurzel meiner gegenwärtigen Schwierigkeiten ist.
    Auf diese Frage habe ich keine Antwort, Dr. Rose. Jedenfalls keine, die klar und eindeutig wäre. Aber ich vermute, es hat mit meiner Mutter zu tun.
    Raphael Robson und Ihre Mutter?, fragen Sie nach und sehen mich dabei so gespannt an, dass ich mich frage, was für einen Brocken ich Ihnen da zugeworfen habe.
    Ich grabe also in meinem Gedächtnis. Versuche, etwas zu finden, und stelle bei Überprüfung aller Funde, die ich bisher gemacht habe, eine Verbindung her. Diese Wörter nebeneinander gestellt - »Raphael Robson« und »meine Mutter« -, haben nämlich etwas in mir in Bewegung gebracht, Dr. Rose. Ich verspüre Übelkeit. Ich habe etwas Verdorbenes gekaut und hinuntergeschluckt, und nun fühle ich, wie es in meinen Eingeweiden rumort.
    Worauf bin ich da gestoßen, ohne es zu wollen? Seit mehr als zwanzig Jahren verabscheut Raphael Robson meinen Vater wegen meiner Mutter. Ja. Ich fühle, dass daran etwas Wahres ist. Aber was?
    Sie schlagen mir vor, mich in eine Situation zurückzuversetzen, wo die beiden zusammen sind. Raphael und meine Mutter. Das Bild ist da, aber es ist schwarz, und wenn sie auf diesem Bild festgehalten sind, so sind die Farben längst nachgedunkelt.
    Und doch, sagen Sie zu mir, haben Sie die beiden Personen, Raphael und Ihre Mutter, miteinander verknüpft. Und wenn es zwischen den Namen der beiden eine Verbindung gibt, dann muss es noch weitere Verbindungen geben, wenn auch nur im Unbewussten. Sie sagen, dass Sie diese beiden Menschen zusammendenken, Gideon. Sehen Sie sie auch zusammen?
    Sehen? Die beiden zusammen? Der Gedanke ist absurd.
    Was ist daran absurd?, fragen Sie. Das Sehen oder das Zusammen?
    Hören Sie auf, ich weiß genau, worauf hinaus Sie mit diesen Alternativen wollen. Sie geben mir die Wahl zwischen einem ödipalen Konflikt und der Primärszene. So ist es doch, nicht wahr, Dr. Rose? Der kleine Gideon kann es nicht ertragen, dass sein Musiklehrer à le béguin pour sa mère. Oder, schlimmer noch, der kleine Gideon überrascht sa mère et l'amoureux de sa mère, nämlich Raphael Robson, beim Geschlechtsakt.
    Warum dieser

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