110 - Zombies im Orient-Express
X-RAY-7 trug die zierliche
Engländerin auf den Armen nach oben ins Zimmer, wo sie durch ihre Vision
schreiend aus dem Schlaf erwacht war. „Ihr Puls schlägt sehr schwach,
Towarischtsch“, murmelte der Russe seinem Freund Larry zu. „Das sieht böse
aus.“ Claire Feenlers Körper fühlte sich eiskalt an.
Die
PSA-Agenten konnten die Verantwortung nicht länger übernehmen und riefen den
Arzt, dessen Telefonnummer Claire für einen eventuellen Notfall angegeben
hatte. Der Arzt wohnte in der City von London. Aber in dieser Nacht hatte er
sich aufgrund eines eingehenden Gespräches mit dem Medium und auf dessen Geheiß
hin, in einer nur zwei Meilen entfernt liegenden Privatpension einquartiert.
Beim ersten Klingelzeichen war er schon am Apparat, und genau sechs Minuten
später stand er, komplett angezogen, am Bett der völlig Erschöpften, um deren
Zustand sich die Freunde größte Sorgen machten. Dr. Ellmer hatte aufgrund der
am Abend geführten Gespräche mit Claire Feenler geahnt, dass er in dieser Nacht
gebraucht würde. So hatte er sich erst gar nicht ausgezogen, sondern
angekleidet aufs Bett gelegt. Dies war der Grund für seine schnelle
Anwesenheit. Auch eine Spritze war vorbereitet. Er injizierte sie sofort in die
Vene und gab die klare Flüssigkeit tropfenweise in Claires Blutbahn. „Es ist
schlimmer als je zuvor. Ihre Kräfte sind bis auf ein Minimum verbraucht“,
lautete sein erster Kommentar. „Sie braucht dringend Stärkung und vor allem
Ruhe, nichts als Ruhe ... Käme sie in dieser Nacht nochmal zum Einsatz, könnte
dies ihren Tod bedeuten ...“
Keiner von
ihnen hoffte, dass es im Haus noch etwas gab, das sich in der Art der
vorangegangenen Ereignisse äußerte. Während sie Claire Feenler bei Dr. Ellmer,
dem das Medium volles Vertrauen schenkte, in den besten Händen wussten,
unterzogen Larry, Iwan und Morna den fraglichen Keller einer ersten eingehenden
Untersuchung. Im hellen Licht ihrer Taschenlampen suchten sie die Wände und vor
allem den Boden ab. In der schwarzen Farbe glaubten sie schmale Kerben zu
sehen, die die Umrisse eines Grabes ergaben. Mehr ließ sich in jener Nacht an
diesem Ort nicht mehr feststellen. David Parker hatte alle Geräusche und
schattenhaften Bewegungen auf Ton- und Videoband gespeichert. Jede Einzelheit
schien festgehalten. Das Haus war von einem Geist befreit worden. Gemeinsam mit
Claire Feenler hatten sie es geschafft. Der Zeitpunkt, an dem der böse
Voodoo-Geist im Landhaus der Dempseys besiegt wurde, war genau festgehalten.
Siebzehn Minuten nach ein Uhr war es geschehen, und genau zu diesem Zeitpunkt
schlug Archie Lord of Dempsey im Hospital die Augen auf. „Ich muss telefonieren“,
drangen die Worte klar und deutlich über seine Lippen. „Ich muss meinen Eltern
Bescheid sagen ... Ich bin gesund, mit mir ist alles wieder in Ordnung.“
Er hatte
seine Stimme wiedergewonnen ...
●
Sie blieben
bis drei Uhr morgens auf. Kurz vorher erwachte Claire Feenler aus ihrem
todesähnlichen Schlaf und gab zu erkennen, dass es ihr besser gehe. Bei
Tagesanbruch dann, nach einem ergiebigen Schlaf, wollte sie über alles
sprechen, was sie gehört und gefühlt hatte, ohne es den anderen bisher mitgeteilt
zu haben. Sie suchten alle ihre Zimmer auf. Auch David Parker zog sich zurück.
Gewohnheitsmäßig ließ er aber seine Apparate eingeschaltet. Bei bestimmten
Vorkommnissen würden die Tonbandgeräte und Videokameras automatisch aktiviert
werden, ln dieser Nacht blieb aber alles still. Obwohl sie spät zu Bett kamen,
waren sie schon wieder früh auf den Beinen. Morna Ulbrandson war die Erste. Sie
bereitete den Kaffee und das Frühstück. Um sieben Uhr klingelte das Telefon.
Lord Dempsey senior war am Apparat und teilte in ausgelassener Stimmung mit,
dass sein Sohn in dieser Nacht urplötzlich genesen wäre. Die Ärzte stünden vor
einem Rätsel. „Aber ich nehme an, es hängt mit den Ereignissen zusammen, die
sich im Landhaus abspielten“, vermutete er. „Was ist geschehen, Miss
Ulbrandson?
Ich muss
alles wissen. Es sieht gerade so aus, als wäre Archie von einem bösen Geist
besessen gewesen, der nun gebannt ist...“
Der Lord traf
mit seiner Bemerkung den Nagel auf den Kopf. Die ganze Familie kam wenig später
in das Landhaus-Hotel. Archie wirkte frisch, unkompliziert und redete frei von
der Leber weg, als wäre nie etwas um ihn gewesen. Zum ersten Mal saßen alle
gemeinsam in dem großen Frühstückszimmer, tranken Kaffee und aßen frisches
Toastbrot. Dazu
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