1106 - Zombie-Engel
Gewalt bringen, und das nur mit den Augen, in denen hin und wieder sogar Bilder eines Ereignisses erschienen.
Raniel sprach noch immer nicht. Trotzdem gab er Glenda ein großes Stück Hoffnung zurück. Sie konnte nicht anders und mußte einfach in seine Augen schauen, die nicht mehr so dunkel blieben. Ihre Augen schienen an einem Faden zu hängen, der nur dafür sorgte, daß sie den Blick des Gerechten nicht verlor.
Er blickte sie an - und sie sah!
Etwas flimmerte in den Augen wie in einem alten Film. Es dauerte, bis es eine gewisse Klarheit bekommen hatte, und dann zeigte sich in beiden Pupillen das gleiche Bild.
Ein Mann, ein schwach erhellter Raum, Kleider und…
»John…« Glenda hatte nicht mehr an sich halten können, denn sie sah den Geisterjäger in den Augen des Gerechten, der ihr diese Botschaft übermitteln wollte.
Auch Raniel zeigte eine Reaktion, denn seine Lippen deuteten ein Lächeln an. Zugleich riß der Kontakt, und er ließ das Bild in seinen Augen wieder verschwinden.
»Du brauchst dir keine Sorgen zu machen!« sprach er sie mit der menschlichen Stimme an. »Es geht ihm körperlich gut, aber er quält sich, weil er dich vermißt, Glenda.«
»Ich will wieder zu ihm.«
»Das wird auch geschehen, doch nicht sofort, sondern später.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dir noch etwas sagen muß. Ich habe viel erreicht, aber nicht alles.«
»Aber du kennst den Friedhof hier?«
»Ja, wer kennt denn nicht seine eigenen Orte? Er gehört mir, er gehört zu mir - verstehst du?«
»Nein, das ist…«
»Dann laß es dir erklären und hör zu. Ich bin der Gerechte, und es ist mein Schicksal, gerecht zu sein, auch wenn die Menschen meine Gerechtigkeit nicht als ihre erkennen mögen. Aber ich weiche von meinem Weg nicht ab und bin stets auf der Suche nach dem Unrecht, das nicht nur für die Menschen gilt, sondern auch für die Engel.«
Glenda öffnete ihren Mund. Sie sprach nicht sofort. »Engel?« hauchte sie. »Gilt es auch für sie?«
»Hast du es nicht selbst erleben müssen?«
»Ja, ja, schon«, sagte sie und hatte ihre Nacktheit schlichtweg vergessen. Das Gespräch hatte sie in ihren Bann gezogen. »Aber ich kann nicht daran glauben.«
»Aber ich, und ich weiß es auch. Es gibt sie. Es gibt auch die andere Seite der Engel.«
»Wie ist das möglich?«
Der Gerechte lächelte. Es sah beinahe schon überheblich aus. »Da mußt du weit, sehr weit zurückdenken, bis hinein in die Urzeit, als der erste große Kampf stattfand, den die Kräfte des Lichts für sich entscheiden konnten. Da verlor derjenige, der werden wollte wie Gott. Er wurde verstoßen und zertreten. Er landete in einer Welt, die von den Menschen später Hölle genannt wurde. Er nahm einen großen Teil seiner Getreuen mit. Sie waren Engel, sie alle blieben auch noch Engel, aber sie gingen verschiedene Wege. Nie unbedingt gemeinsame, denn jeder suchte sich seinen eigenen aus. So bildeten sich Gruppen, Nester, Cliquen, und Luzifer ließ sie wirken, denn letztendlich gehörten sie als großes Ganzes auch zu ihm. Sie würden ihm nie untreu werden, das war sicher, und so ist es auch gekommen. Luzifer und seine gefallenen Engel haben ihre Stützpunkte verteilt, und sie beschränken sich nicht nur auf die Welt, In der du lebst…«
»Also auch hier?«
»Das kann man so sagen.«
Überzeugend klang es nicht, und so fragte Glenda weiter. »Hat Luzifer einen eigenen Friedhof für seine Engel errichtet? Diesen Ort, auf dem wir stehen?«
Raniel gestattete sich ein spöttisches Lächeln. »Nein, das hat er beileibe nicht. Dieser Friedhof ist mein Werk.«
»W… wie?«
»Ich habe ihn angelegt.«
»Für Engel?«
»So kann man es sagen. Zumindest für Engel, die auf seiner Seite gestanden haben und durch mich gestorben sind. Die einfach nicht gerecht waren, verstehst du? Ich bin der Gerechte, aber sie, sie haben Unrecht begangen.«
»Dann hast du sie begraben.«
»Erst getötet.«
»Warum der Friedhof?«
Raniel wußte, worauf die Frage hinzielte. »Nenne es Nostalgie. Oder nenne es Verbundenheit mit der menschlichen Welt. Mir gefallen eure Friedhöfe, und deshalb habe ich sie übernommen. Ich baute ihn so auf und verscharrte die von mir Besiegten. Ich dachte, daß es für alle Zeiten war, aber ich habe mich geirrt, denn Luzifers Pläne waren andere. Er wollte nicht hinnehmen, daß ihm die Helfer genommen wurden. Aus diesem Grunde hat er seine Kräfte mobilisiert und sie geweckt. Er hat ihren Geistern Gestalt gegeben, und du hast sie
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