1106 - Zombie-Engel
vorhanden gewesen wäre, wenn ein Körper darin gesteckt hätte.
Das Kleid wehrte sich nicht gegen seine Nähe, und so riskierte der Inspektor es, seine Hand von oben herab in den Ausschnitt des Totenhemds zu stecken.
Bei ihm klappte es. Er konnte in das aufgestellte und ausgebeulte Kleid hineinfassen. Lächelnd schaute er mich an und nickte. »So ist es, wenn man kein Kreuz bei sich hat. Dich will es nicht, John. Aber mich.«
»Soll das heißen, daß du es dir überstreifen willst?«
»Es wäre einen Versuch wert.«
»Nein, weder so noch anders.«
»Was meinst du damit?«
»Ich denke an deine Peitsche, falls dir der Gedanke gekommen ist, es damit zu versuchen.«
Er lächelte schwach. »Du wirst lachen, aber daran habe ich auch gedacht.«
»Besser nicht.«
»Dann willst du einzig und allein darauf warten, daß Glenda Perkins zurückkehrt, nicht wahr?«
»Ja, so sehe ich es. Sie ist durch das Kleid verschwunden und wird den gleichen Weg zurücknehmen. Es gibt für mich keine andere Möglichkeit.«
»Falls man sie läßt.«
»Auch das ist möglich.«
»Aber du kannst hier keine Ewigkeit verbringen. Ich weiß, wie du dich fühlen mußt. Ich finde es auch mehr als bescheiden, daß wir hier warten müssen. Deshalb sollten wir uns ein Limit setzen.«
»Das wollte ich vorschlagen. Wir nehmen das Ende der ersten Morgenstunde als Fixpunkt. Sollte sich bis dahin nichts getan haben, werden wir das Kleid mitnehmen. Können wir uns darauf einigen?«
»Ist mir recht.«
Suko setzte sich auf die Theke. »Warst du schon im Keller und hast nach diesem Ofen geschaut?«
»Nein, das war ich nicht. Ich habe es auch nicht unbedingt als wichtig angesehen.«
»Gut, abgehakt. Ich komme noch mal auf diese Isabella zurück. Hattest du das Gefühl, daß sie allein arbeitete, oder kannst du dir vorstellen, daß sie Helfer hat?«
»Keine Ahnung, Suko. Von Helfern jedenfalls hat sie mir nichts gesagt. Wie ich sie verstanden habe, arbeitete sie einzig und allein auf eigene Rechnung. Sie hat das Kleid oder Totenhemd bekommen, und ihr gehört das Geschäft.«
»Wer gab es ihr?«
»Eine ältere Frau.«
»Mehr weißt du nicht darüber?«
»Nein. Himmel, Suko, du kannst dir nicht vorstellen, wie das hier abgelaufen ist. Wir haben nur jemand gesucht, und plötzlich geraten wir in diesen Horror hinein. Damit haben weder Glenda noch ich rechnen können. Da hat das Schicksal mal wieder anständig zugeschlagen. Es hat immer wieder seine Arme ausgestreckt. Mittlerweile glaube ich nicht an den Zufall. Mir kommt es vor, als hätte eine Regie alles mit sicherer Hand gelenkt. Du kannst mir glauben, daß ich mir diesen Friedhof gern selbst angeschaut hätte. Mit eigenen Händen hätte ich ihn gern umgegraben, aber man ließ mich nicht.«
»Wie wäre es denn, wenn du es mal ohne Kreuz versuchen würdest?« schlug Suko vor.
»Daran habe ich auch schon gedacht. Nur, ich habe meine stärkste Waffe nicht aus der Hand geben wollen. Wer weiß, was mich alles auf dem verdammten Friedhof erwartet hätte. Nein, das wollte ich nicht riskieren. Das Kleid sperrt sich gegen mein Kreuz. So ist es und so bleibt es. Da kannst du nichts machen.«
»Dann bleibt uns als einzige Hoffnung diese Isabella. Ich hoffe, daß sie nicht zu schwer verletzt ist.«
»Das ist sie nicht. Ich habe ihr ins Bein geschossen. Ich wollte sie kampfunfähig haben, verstehst du?«
»Klar.«
Suko hatte sich nicht sehr überzeugend angehört. Das konnte ich ihm nicht verdenken. Er war unbeteiligt. Es hätte bei einem Tausch zwischen uns anders ausgesehen.
Ich war kein Held, kein Supermann, nur ein Mensch, der auch abhängig von äußeren Einflüssen war. So begann ich allmählich die gesamte Umgebung hier zu verfluchen. Sie drückte mir aufs Gemüt. Die Einrichtung in diesem kleinen Raum, die schon getragenen Kleider, von denen einige sicherlich schon Monate hier hingen und einen entsprechenden Geruch abgaben, der nicht eben wie Balsam wirkte. Bei jedem Atemzug hatte ich das Gefühl, Staub zu schlucken. Die Decke kam mir niedrig vor. Darunter hing ein Ventilator, der mir erst jetzt richtig auffiel. Seine Flügel bewegten sich nicht. Sie hingen traurig nach unten, und auf ihnen klebten noch die Körper toter Fliegen.
Ich ging bis zur Tür, trat dann in den kleinen Flur und verließ wenig später das Haus. Im Hinterhof blieb ich stehen. Es war dunkler als am Abend. Hinter den Fenstern an der Rückseite der Häuser brannten nur wenige Lampen. Man konnte die erleuchteten Vierecke
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