1106 - Zombie-Engel
immer wieder gab. Was so harmlos begonnen hatte, das hatte sich letztendlich zu einem gefährlichen Drama entwickelt.
Dabei hatte ich Glenda Perkins nur einen Gefallen tun wollen. Es ging um eine Bekannte, die verschwunden war, deren Todesanzeige sie aber gelesen hatte.
Die Spur hatte uns zu einem Secondhandshop geführt, der von Isabella betrieben wurde. Sie verkaufte getragene Kleider, aber sie besaß ein besonderes Stück in ihrer Sammlung. Es war das Kleid, das einem Menschen Unsichtbarkeit verlieh oder ihn einfach weg in eine andere Dimension holte. Ein Kleid, das auch als Totenhemd bezeichnet werden konnte, denn es hatte einmal einem Engel gehört.
Nicht jeder konnte das Kleid tragen. Drei Frauen, die es versuchten, hatten es mit ihrem Leben bezahlt. Sie waren zu Asche verbrannt. So auch Glendas Bekannte Cordelia Miller.
Bei Isabella funktionierte es nicht. Wir hatten erlebt, daß sie von einem Trip zurückkehrte, der sie in eine geheimnisvolle Welt und zu einem düsteren Friedhof gebracht hatte, nachdem sie sich das Kleid übergestreift hatte. Aber man hatte sie dort nicht gewollt. Sie wäre nicht würdig, hatte man ihr gesagt.
Was es genau mit dem Totenhemd auf sich hatte, wußte ich auch nicht.
Das Schicksal war leicht gegen uns gewesen. Vielleicht hatte ich auch nicht genügend aufgepaßt. Jedenfalls war es Isabella gelungen, mich niederzuschlagen, und sie hatte danach Glenda Perkins gezwungen, sich das Kleid überzustreifen, in der Hoffnung, daß sie verbrannte. Es war nicht geschehen. Statt dessen war Glenda verschwunden. Ich wußte nicht, wo ich sie suchen sollte.
Möglicherweise auf dem alten Friedhof in einer anderen und kaum zu begreifenden Dimension.
Ich hatte den Verband aus Kleiderstoff so gut wie möglich angelegt.
Isabella kümmerte sich nicht um mich. Sie lag da wie vergessen und stöhnte leise vor sich hin. Daß sie noch nicht aufgegeben hatte, war für mich klar, doch im Moment würde sie mich in Ruhe lassen. Als eine dreifache Mörderin wollte ich sie nicht bezeichnen, aber sie hatte auch nichts dagegen unternommen, daß die drei Frauen im Kleid verbrannten. Deren Asche hatte sie in einen alten, im Keller stehenden Ofen verschwinden lassen.
Ich kümmerte mich um das Kleid. Es war zur Seite geschleudert, worden. Wer es sich anschaute, der würde von seinem Aussehen her nicht einmal auf den Gedanken kommen, daß mit ihm etwas nicht stimmte. Er sah einen hellen Stoff mit leichtem Gelbstich und konnte einen Stoff betasten, der sich normal anfühlte.
Das war er nicht. Ich wußte nicht einmal, ob es sich bei diesem Totenhemd überhaupt um einen Stoff handelte oder um ein anderes Material, das nur einen stoffähnlichen Charakter aufwies.
Das Kleid war zu Boden gefallen. Es hätte allerdings auch aufrecht stehen können, denn als normal durfte ich es nicht ansehen. Es konnte hingestellt werden, wie ein Kleid, das von Reifen oder dünnen Korsagen gehalten wurde.
Die gab es hier nicht. Das Totenhemd des Engels stand aus eigener Kraft. Ich hob es wieder an und stellte es aufrecht. Es war leicht, und ich dachte daran, wie ich versucht hatte, es mit dem Kreuz zu zerstören.
Das war mir nicht gelungen. Kaum hatten sich Kreuz und Kleid berührt, da war es zu einer Abwehrbewegung gekommen. Das Totenhemd hatte mein Kreuz nicht akzeptiert und es regelrecht zur Seite geschleudert.
Deshalb hütete ich mich auch jetzt davon, mein Kreuz einzusetzen, geschweige denn, es zu aktivieren.
Außerdem war es der Weg zu Glenda Perkins, die nach wie vor verschwunden war. Auch wenn ich wußte, daß sie sich möglicherweise auf dem geheimnisvollen Friedhof aufhielt, den Weg dorthin kannte ich nicht. Und so machte ich mir verdammt große Sorgen um sie.
Ich drapierte das Totenhemd so, daß ich es im Blick behalten konnte, um mich danach um die Verletzte zu kümmern. Isabella war noch ruhiger geworden. Sie hatte ihre Haltung nicht verändert. Die Augen standen offen, und sie schaute zur Decke, die grau war. Sie paßte zu diesem kleinen Laden, in dem alles ziemlich blaß und grau war, so daß selbst die Farben der Kleidungsstücke sich immer mehr anglichen.
Ich holte mir einen Hocker hinter dem Verkaufstresen und stellte ihn neben Isabella. Danach setzte ich mich. Mein Blick traf ihr Gesicht. Sie hatte alles mitbekommen, schaute mich an. Ich hörte ihr kurzes Atmen und sah auch den Schweiß auf dem Gesicht, dessen Haut so fahl wirkte und eingefallen war. Einen großen Teil der Sonnenbräune hatte sie
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