1107 - Die Mutation
großzügig von dir.«
»Klar, bin ich doch immer.«
Während Soul sich aufrichtete und seine Hände gegen den Leib drückte, machte sich sein Freund auf den Weg. Es waren nur wenige Schritte bis zur Lampe. Sein Mißtrauen war noch nicht verschwunden, denn er schaute sich des öfteren um und hielt dabei auch den Kopf gesenkt, um den Boden abzusuchen. Außer den alten Brettern sah er nichts.
Neben der Lampe blieb er stehen. Er bückte sich und streckte seinen Arm aus.
In diesem Moment erwischte es ihn zum zweitenmal!
***
Plötzlich raschelte die Umgebung. Büsche bewegten sich, Straucharme schnellten zurück, und blitzender Waffenstahl tauchte auf. Suko und ich waren mitten in der Vorwärtsbewegung, doch wir mußten stoppen, sonst wären wir gegen die Mündungen der Gewehre gelaufen. Bisher hatte die Kleingärtneranlage in tiefem Schweigen gelegen, doch nun änderte sich alles.
»Keinen Schritt weiter!« sagte eine barsche Stimme.
Wir taten dem Sprecher den Gefallen. Auch schon in unserem Sinne. Ich verdrehte die Augen - ein Zeichen meines Ärgers - und blickte zum Himmel, wo der blasse Vollmond stand und mir vorkam, als wollte er mich angrinsen.
Es war eine herrliche Frühlingsnacht. Nicht einmal zu kühl. Perfekter hätte der Mai nicht beginnen können. Nicht einmal Wolken zeigten sich am Himmel, doch für Suko und mich sah es leider etwas düster aus. Als einzige Aussicht wurde uns der Blick in die Gewehrmündungen gestattet. Die Männer dahinter waren nur schwach zu sehen, denn in dieser Umgebung gab es kein Licht.
Große Männer, die Kappen auf den Köpfen trugen und sich dunkle Kleidung übergestreift hatten.
Ihre Gesichter erinnerten mich an kaltes, aber nicht an starres Wachs, denn sie bewegten sich, und der Sprecher sagte: »Ihr müßt euch schon eine verdammt gute Ausrede einfallen lassen, ihr beiden.«
»Das ist nicht nötig, denke ich.«
»Ach ja?«
Ich nickte dem Sprecher zu. »Ich werde Ihnen jetzt meinen Ausweis zeigen. Sie können ihn lesen und werden erkennen, daß Sie auf dem falschen Dampfer sind.«
»Woher wollen Sie das wissen?«
»Sie gehören doch zur Bürgerwehr?«
»Sehr schlau, Mister.«
»Dann ist die Sache okay.«
Das war sie für die beiden Männer nicht. Die Gewehre waren durchgeladen, die Finger lagen an den Abzügen. Die Männer warteten nur auf eine falsche Bewegung. Diesen »Gefallen« tat ich ihnen nicht. Ich bewegte den rechten Arm sehr langsam und schob die Hand dann in meine Innentasche.
Mit spitzen Fingern holte ich das Dokument hervor, das ich dem Mann reichte.
»Nimm du das Ding, Nick.«
Der zweite bewegte sich. Er behielt auch jetzt den Finger am Abzug und reagierte wie ein Profi, aber er zitterte, atmete schwer, und ich nahm auch seinen leichten Schweißgeruch wahr. Es war gerade dunkel geworden, die Nacht lag noch vor uns, und ich ärgerte mich wahnsinnig, weil wir schon jetzt gestoppt worden waren.
»Kannst du lesen, Nick?«
»Schlecht.«
»Soll ich leuchten?« fragte Suko.
»Halt dein Maul!«
Nick bemühte sich. Auf uns achtete er nicht mehr. Dann stieß er ein Geräusch aus, das sich wie ein Lachen anhörte, und er schüttelte auch den Kopf.
»Rede schon!«
»Du kannst die Knarre sinken lassen, Frank. Ich glaube, es sind unsere Freunde und Helfer.«
»Ach, ist doch nicht möglich!«
»Sogar vom Yard.«
Beide entspannten sich. Die Läufe der Gewehre sanken tatsächlich nach unten. Uns ging es auch besser, als wir sahen, daß die Mündungen den Boden anglotzten.
Frank, der Sprecher, gab mir meinen Ausweis zurück. Er schulterte seine Waffe. »Sorry, das konnten wir nicht wissen.«
»Schon gut«, sagte ich und ließ das Dokument wieder verschwinden. Die beiden Männer gaben sich etwas verlegen. Sie räusperten sich und wußten auch nicht so recht, was sie sagen sollten, deshalb baute Suko ihnen eine Brücke.
»Sie sind also Mitglieder der sogenannten Bürgerwehr?«
»Nein.«
»Wieso nicht?«
»Weil das der falsche Ausdruck ist. Wir haben uns zu einer Nachbarschaftshilfe zusammengeschlossen. Das ist keine Bürgerwehr, auch wenn manche Zeitungen davon berichtet haben.«
»Aber Sie sind bewaffnet.«
»Nicht alle.«
»Ich habe auch Sie beide gemeint.«
»Wir sind so etwas wie ein Vorposten, wenn Sie verstehen.«
»Zunächst einmal möchten wir Ihre Namen hören.«
Sie hießen Nick Orwell und Frank Dorsey. Jetzt, da ihre Mündungen nicht mehr auf uns zielten, wirkten sie wesentlich friedlicher und auch normaler. Sie lächelten und hoben
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