1122 - Der Prophet des Teufels
Standort ausgesucht.
Zwei Etagen hatten wir bereits passiert, ohne dass etwas geschehen war. Keine Wohnungstür hatte sich geöffnet. Kein Mensch hatte sich gezeigt. Das Haus schien in einer wahren Agonie zu liegen. Wir hatten auch kein fremdes Geräusch gehört.
Und doch hatte es den Toten gegeben. Zudem war aus der Höhe der Blutstropfen gefallen und auf meinen Handrücken geklatscht.
Das hatte ich mir nicht eingebildet, dafür musste es einen Grund geben.
Wir standen vor den Stufen, die zur letzten Etage hoch führten.
Hier hätten wir eigentlich etwas sehen müssen. Harry Stahl deckte mir den Rücken, während ich nach vorn ging, noch zwei Stufen hochstieg und mich so hinstellte, dass ich bis vor die letzte Wohnung in diesem Haus schauen konnte.
Kein Blut auf dem Boden. Kein Toter. Als wäre alles nur ein Spuk oder eine Einbildung gewesen. Aber das war es nicht. Wir hatten die Beweise, und ich ging jetzt rasch höher.
Harry Stahl blieb mir auf den Fersen, und wir standen in der letzten Etage ziemlich ratlos da, denn auch hier wies nichts auf diesen Propheten des Bösen hin.
Keine fremde Bewegung. Kein Blut. Auch mein Kreuz erwärmte sich nicht. Hier musste uns jemand zum Narren halten, der genau wusste, was wir taten, und uns deshalb unter Kontrolle hielt.
Zwei Parteien wohnten auf jeder Etage. Hinter den beiden Türen war nichts zu vernehmen. Allerdings fiel uns auf, dass es hier oben schon etwas dunkler war. Es fehlten einfach die Fenster, die zwischen den einzelnen Etagen lagen.
Aber es gab noch einen Treppe. Nicht so breit wie die normalen innerhalb des Treppenhauses. Die vor uns liegende war recht schmal, und sie führte auch nicht in eine weitere Wohnung, sondern zu dem von Harry Stahl erwähnten Boden oder Speicher.
Er wiederholte sich noch einmal und sagte flüsternd: »Es ist wie bei vielen älteren Häusern ohne eigentliche Dachwohnung. Da wirst du einen großen Trockenraum finden und den direkten Zugang zum Dach.« Er lächelte verbissen. »Idealer kann es für einen Typen wie den Propheten nicht sein.«
»Und das Blut?«
Harry deutete die Stufen hoch. »Wahrscheinlich werden wir es oben finden.«
Die Sicht war für uns nicht besonders gut. Längst zeichneten sich die Stufen nicht mehr so klar ab, wie wir es bisher gewohnt waren.
Sie waren auch schmaler, dunkel und ausgetreten. Auf dem dunklen Geländer lief auch der letzte Lichtschein aus.
Ich hatte wieder die Führung übernommen. Harry, der hinter mir ging, schaute sich des öfteren um und blickte dabei auch zurück, wie jemand, der mit einer Verfolgung aus der Tiefe rechnet.
Stufe für Stufe ließen wir hinter uns. Wir kamen dem Ziel immer näher. Die Luft änderte sich. War sie dicker oder dumpfer geworden? So genau konnte ich es nicht sagen, jedenfalls merkte ich beim Einatmen den anderen Geruch.
Ich sah das Ende der Treppe mit dem recht kleinen Podest, und ich sah auch die Tür zum Speicher, die geschlossen war.
Das alles konnte ich zunächst vergessen, denn etwas anderes war viel wichtiger. Auf dem Boden lag eine Gestalt mit menschlichem Umriss.
Obwohl ich damit gerechnet hatte, war ich für den Augenblick geschockt, und Schwindel erfasste mich. Es war dieser Augenblick der Wahrheit, die sich noch deutlicher zeigte, als ich die kleine Lampe hervorgeholt hatte und der Lichtstrahl die Gestalt vor der Speichertür erfasste. Schon beim ersten Hinleuchten zeigte sich, dass es der zweite Polizist war, der hier oben seinen Platz gefunden hatte. Der Killer hatte ihn sich geholt. Er lag dicht am querstehenden Geländer, das hier oben den Abschluss der Treppe bildete. Eine Hand hatte sich durch die Lücken zwischen den beiden Pfosten geschoben. Von ihr war auch das Blut nach unten getropft. Jetzt fiel nichts mehr, denn als Toter gab es keinen Nachschub.
Harry Stahl stand neben mir und rieb sein Gesicht. Wir hatten es beide erwartet und hätten auch nicht überrascht sein müssen. Trotzdem waren wir es. Wahrscheinlich hatten wir uns an den Funken Hoffnung geklammert, doch das konnten wir jetzt vergessen.
»Er räumt alles aus dem Weg, was ihn stört«, flüsterte Harry.
»Verdammt, er ist ein Killer. Oder ein killender Prophet, der seinen eigenen Weissagungen Taten folgen lassen will. Anders kann ich es mir nicht vorstellen.«
»Sie haben ihm nichts getan«, murmelte ich.
»Die Pfarrer denn?«
Ich zuckte die Achseln. »Das ist die Frage. Wir kennen ihn und seine Motive nicht. Den Tod der Geistlichen kann ich eher nachvollziehen,
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