1139 - Unheimliches Erwachen
muß wohl einen kleinen Anfall von Schwäche gehabt haben. Nenne es den Reiz des Neuen. Oder vielleicht wollte ich eben auch mal meinen Beitrag leisten. Jedenfalls hat es sich gezeigt, daß sich Ehrlichkeit nicht lohnt. Jetzt sitze ich in der Tinte."
„Ich sage es nochmals, daß du dich unter deinem Wert verkauft hast", sagte Deighton.
„Du hättest auf ehrliche Weise viel mehr aus dir machen können."
„Ich wollte aber auf meine Weise glücklich werden. Ich war frei. Und es hat Spaß gemacht, den ganzen technischen Aufwand ad absurdum zu führen. Wenn ihr wirklich die Konsequenzen ziehen wollt, dann müßtet ihr euer gesamtes Computersystem wegwerfen.
Denn eine Handvoll von meiner Sorte könnten Milliarden von Scheinexistenzen aufbauen und so für eine statistische Überbevölkerung der Erde sorgen, selbst wenn es außer uns niemanden mehr gäbe. Wenn dieses Beispiel auch hinkt, so gibt es andere zu deiner Auswahl."
„Dein Beispiel gefällt mir ganz gut", sagte Deighton. „Das wäre vielleicht auf der Projektionserde ein recht brauchbarer Bluff für Vishnas Virenimperium gewesen. Es wäre einen Versuch wert gewesen, aber diese Chance haben wir nicht bekommen."
„Mir kannst du kein schlechtes Gewissen einreden", sagte Brian. „Ich stehe zu dem, was ich getan habe, und bin bereit für die Gehirnwäsche."
„Werde nicht kindisch, Wallace", sagte Deighton. „Deine kleinen Betrügereien kümmern mich nicht. Du hast auf Kosten der Allgemeinheit gelebt, aber damit mußt du selbst fertig werden. Komme mir nicht als Rebell, das nehme ich dir nicht ab. Früher hat man mich einen Gefühlsmechaniker genannt! eine unschöne Bezeichnung für einen Empathen, der sich auf die Deutung von Gefühlen versteht. Du hast vergessen, dich vor mir zu tarnen, und darum habe ich dich durchschaut."
„Du hast also dein Urteil über mich gefällt!" sagte Brian sarkastisch. „Und du wirst es vermutlich nicht für dich behalten wollen."
„Selbst wenn deine Rebellion ehrlich gemeint wäre, so wäre sie doch nur ein Sturm im Wasserglas, und das weißt du", sagte Deighton. „In Wirklichkeit bist du nur zu träge, dich dem Leben anzupassen, andererseits entwickelst du Aktivitäten und treibst einen Aufwand, den der Ertrag nicht lohnt. Ich gebe dir dagegen die Möglichkeit, daß du dir deine Individualität bewahrst und trotzdem etwas Nützliches tun kannst, dessen du dich nicht, zu schämen brauchst."
„Ich habe mich noch nie irgendeiner Sache geschämt!"
„Aber du stehst nicht zu deiner Verantwortung, Wallace!" erwiderte Deighton heftig.
„Was du getan hast, scheinen nur Kavaliersdelikte zu sein. Sie wiegen auch nicht so schwer wie das, was du nicht getan hast. Du hast ein einmaliges Talent, Wallace das du vermutlich noch viel besser ausschöpfen könntest, und damit trägst du auch eine Verantwortung gegenüber den anderen, die kein solches Talent haben. Denke darüber einmal nach."
Brian schwieg eine Weile, dann sagte er: „Okay, das werde ich tun. Aber zu Hause. Kann ich jetzt gehen?"
„Nein!" herrschte Deighton ihn an. „Du bleibst hier, und das kannst du sehen wie du willst. Aber ich werde verhindern, daß du dich hinter irgendeiner anderen Identität verschanzt und untertauchst. So leicht mache ich es dir nicht."
Mit diesen Worten ging Deighton. Brian hatte das Gefühl, als hätte er von ihm eine Emotio-Spritze verpaßt bekommen. Er war verunsichert. Aber er hatte ja Zeit zum Nachdenken.
*
Sie wiesen ihm einen komfortablen Einzelraum an, dessen Prunkstück ein hypermoderner Computerblock war, und sagten ihm, daß er sich damit die Zeit vertreiben könne. Als Brian jedoch erkannte, daß es sich um ein Testgerät handelte, ließ er die Finger davon.
Sie wollten nur herausfinden, wie breit sein psionisches Spektrum war. Wie stark seine paramentalen Kräfte waren, wußten sie inzwischen besser als er, seit er so leichtsinnig gewesen war, einen der Transmitter des Unternehmens Projektionserde zu betreten. Er hätte sich dafür ohrfeigen können. Aber weiteren Einblick in seine Parapsyche wollte er ihnen wenigstens nicht gewähren.
Brian wußte selbst nicht einmal, welche Einsatzmöglichkeiten ihm sein Talent erlaubte.
Er hatte es nie richtig ausgeschöpft, sondern nur dazu benutzt, um den leichtesten Weg gehen zu können.
Das war schon immer so gewesen, seit er als Kind entdeckt hatte, daß er anders als andere Kinder war. Schon damals hatte er seine Gefühle nicht nur beherrschen, sondern auch steuern
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