115 - Die Herrin des Sumpfes
verfehlt. Nicht einmal mit dem Revolver war ein sicherer Treffer anzubringen.
Wir mußten näher an sie heran. »Machst du dich wieder aus dem Staub, wenn wir zu dir kommen?« rief Mr. Silver. »Oder bleibt du diesmal stehen? Laß es uns austragen, Kogora.«
Sie war damit einverstanden. »Ich bin bereit«, antwortete sie. »Ich warte auf euch!«
»Los, Tony, das ist unsere Chance«, raunte mir Mr. Silver zu, und wir setzten uns in Bewegung.
Aber schon nach wenigen Schritten erkannten wir, daß Kogora nicht Wort hielt. Sie zog sich zurück. Sie ergriff nicht die Flucht, aber sie ließ nicht zu, daß sich die Distanz zwischen ihr und uns verringerte.
»Was soll das?« schrie Mr. Silver ärgerlich. »Ich dachte, du würdest auf uns warten!«
»Wir tragen den Kampf da aus, wo ich es will«, gab die Hexe zurück. »Und nicht vor den Augen der Garimpeiros.«
»Sie sollen nicht Zeugen deiner schmachvollen Niederlage werden, wie?« rief ich.
»Ihr Schwächlinge. Ihr wißt nicht, was euch erwartet. Ich kriege eure Lebensenergie. Sie wird mir helfen, mein ursprüngliches Aussehen wiederzuerlangen. Eure Energie wird dazu beitragen, daß ich meinen Körper wiederbekomme.«
»Freu dich nicht zu früh«, gab Mr. Silver zurück. »Du bist nicht die erste Hexe, der wir den Garaus gemacht haben.«
Zum zweitenmal kletterten wir die erdige Wand hoch. Mr. Silver versuchte die Hexe in einen magischen Bannkreis zu ziehen, den sie nicht so leicht verlassen konnte, aber Kogora entwischte seiner ausgesandten Kraft geschickt.
Ich hatte den Eindruck, daß sie spürte, was mein Freund war - ein abtrünniger Dämon, der seine übernatürlichen Fähigkeiten für das Gute einsetzte.
Deshalb würde es für ihn vermutlich schwieriger als für mich sein, sie zu stellen; weil sie vor dem Ex-Dämon Angst hatte, ihn auf jeden Fall mehr respektierte als mich.
»Überlaß sie mir«, sagte ich zu Mr. Silver. »Vor dir rückt sie aus. Mich wird sie unter Umständen näher an sich heranlassen.«
»Und was tue ich, solange du mit ihr beschäftigt bist?« fragte Mr. Silver mürrisch. Er haßte es, untätig zu sein.
»Du bist mein Sicherheitsnetz«, sagte ich. »Du greifst dann ein, wenn’s für mich brenzlig wird.«
»Na schön, versuchen wir’s auf deine Art. Aber ich übernehme keine Verantwortung.«
Ich trennte mich von meinem Freund, aber ich konnte mich darauf verlassen, daß er da sein würde, wenn ich ihn brauchte.
Kogora ließ mich tatsächlich näher an sich heran. Meine Rechnung konnte aufgehen. Die Hexe lockte mich immer tiefer in den Urwald. Sie spielte mit mir Katz und Maus, narrte mich.
Meinetwegen sollte sie ihren Spaß haben. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Ich folgte ihr wie ein Jagdhund dem angeschossenen Wild. Jede ihrer Richtungsänderungen machte ich mit. Ich war unermüdlich. Und ich war wachsam, denn Kogora konnte jederheit den Spieß umdrehen. Dann war ich der Gejagte.
Ich konnte ziemlich sicher sein, daß sie das versuchen würde, sobald sie fand, daß sie lange genug mit mir gespielt hatte.
Feucht, schwül und stickig war die Luft, direkt schwer einzuatmen. Mir brannte der Schweiß in den Augen, und die Moskitos peinigten mich. Ich zerriß Spinnennetze, und Blüten, die mir fremd waren, beschmierten mich mit ihrem klebrigen Saft.
Der Boden wurde allmählich weicher, wurde morastig. Wollte mich Kogra in einen Sumpf locken? Als mir dieser Verdacht kam, paßte ich besonders höllisch auf.
Die Hexe durfte keine Gelegenheit haben, an mich heranzukommen. Im Moment sah ich sie nicht, aber nach einigen Schritten entdeckte ich sie zwischen mächtigen Stelzenbäumen.
Der Boden vor ihr glänzte, warf Blasen. Kogora richtete die Hände mit gespreizten Fingern nach unten. Sie setzte ihre Hexenkraft ein, und ich beobachtete, welche Wirkung sie damit erzielte.
Der Sumpf wurde hart, bekam einen Riß, der sich vergrößerte, brach auf!
Kehrte die Sumpfhexe in ihr Reich zurück? Lebte sie dort unten? Nun ging sie weiter. Mir kam vor, als würde sie über Stufen nach unten steigen, hinab in die Tiefe des Sumpfs!
Was würde geschehen, wenn sie unten anlangte? Würde sich die Öffnung dann wieder schließen? Ich lief schneller. Kogora war nicht mehr zu sehen, aber so leicht wollte ich sie nicht entwischen lassen.
Ich war entschlossen, ihr sogar in ihr Reich zu folgen, obwohl mir klar war, daß ich ihr damit zu einem nicht zu unterschätzenden Vorteil verhalf.
Dort unten, in ihrem Reich, war sie mir auf jeden Fall
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