1155 - Luzifers große Stunde
nicht die Füße nass machen, denke ich.«
»So ist es.«
Der Gerechte ließ sich auf keine Diskussion mehr ein. Bevor Suko noch etwas sagen konnte, ging er bereits vor. Er hob das rechte Bein an, senkte es wieder und hätte jetzt eigentlich ins Wasser treten müssen. Dazu kam es jedoch nicht.
Der Fuß trat nicht erst in das Wasser hinein. Der Gerechte veränderte sich blitzschnell. Er hatte noch einmal den Kopf gedreht, und zeigte Suko die anderen Augen.
So hell und klar!
Und dann schwebte er davon.
Nicht schnell. Er bewegte sich langsam über das Wasser hinweg und flog auch nicht sehr hoch. Wie ein großer Vogel mit gestrecktem Körper glitt er durch die Luft, um sich der Schwärze zu nähern, die die gesamte Insel umschlossen hielt.
Es ärgerte Suko etwas, am Ufer zurückzubleiben. Auf der anderen Seite traute er dem Gerechten viel zu. Dank seiner Herkunft, seines Lebens und seiner Kräfte war er Suko überlegen. Er war vernarrt in die Gerechtigkeit. Allerdings fragte sich Suko jetzt, was dieser Einsatz damit zu tun hatte.
Wollte er die Gerechtigkeit auch in das Dämonenreich hineinbringen und dort seine Akzente setzen?
Wollte er nicht, dass die alte Ordnung zerrissen wurde?
Mit einem kräftigen Schwung glitt Raniel in die Höhe. Er hatte das Ziel fast erreicht, und an seiner Haltung und ebenfalls an der Geschwindigkeit hatte sich nichts verändert. Es sah alles so locker aus, was er tat, und genau da irrte Suko sich.
Plötzlich kam es zu der frappierenden Änderung. Es passierte ohne Vorwarnung und kam auch für den Gerechten völlig überraschend. Es musste aus der Schwärze passiert sein. Ein Stoß hatte den Körper erwischt. Eine Energieladung, deren Auftreffen Raniel nicht ausgleichen konnte.
Der Gerechte wurde zurückgeschleudert. Er torkelte in der Luft. Er verlor die Übersicht, und Suko sah plötzlich, dass ein Teil der Schwärze aufriss.
Für einen Moment sah er die Bläue im Zentrum, und er sah auch die kalten blauen Augen.
Luzifer!
Suko bekam einen regelrechten Schlag mit. Es war ein unsichtbarer Faustschlag, der ihn erwischte.
Etwas stürmte auf ihn zu. Er geriet ins Taumeln und umklammerte den Griff des Schwerts, dessen Spitze im weichen Boden steckte.
Ein Anschlag des Bösen. Etwas Unheimliches, das in einer uralten Zeit geboren war und sich lange gehalten hatte, trug daran die Schuld. Ihm war, als sollte sein Körper von der anderen Macht geschunden und malträtiert werden, und das nur, weil er für einen winzigen Moment in das kalte, gefühllose Augenpaar geschaut und sich dem absolut Bösen gegenüber gesehen hatte.
Als Suko wieder klar denken konnte und den Kopf anhob, war das Gesicht verschwunden.
Es sah alles wieder normal aus. Obwohl von einer Normalität nicht gesprochen werden konnte. Die Schwärze gehört nicht in die Nacht hinein, sie war einfach unnatürlich, und sie hatte sich wieder so dicht zusammengezogen, dass nichts mehr durchschimmerte.
Da fiel Suko wieder sein Begleiter Raniel ein. Er hatte es allein versuchen wollen und war zurückgeschmettert worden. Wie ein Ball, der mit einem gewissen Drall gegen eine Mauer geworfen worden war. Er war abgestürzt, aber Suko hatte ihn nicht in das Wasser fallen sehen. So musste er sich noch im allerletzten Moment irgendwie gefangen haben, doch zu sehen war er nicht.
Entweder hatte sich Raniel verkrochen oder seine Neugierde hatte das eigene Schicksal besiegelt, wie auch möglicherweise das eines gewissen John Sinclair.
Suko gestand sich einen Fehler ein. Bisher hatte er den Fall nicht so richtig ernst genommen, obwohl er das Schwert des Salomo bei sich trug. Dass er mit dem absolut Bösen zusammentreffen würde, war schon überraschend für ihn gewesen, und er wusste auch, dass diese Kräfte auf keinen Fall etwas aufgaben, mit dem sie einmal begonnen hatten.
Waren sie auch hier die Sieger?
Er kam sich allein vor. Verlassen. Vom Himmel abgestürzt wie in die Hölle. Allmählich wurde ihm klar, dass er auf dem Platz des Verlierers stand. Allein. Vor ihm der Fluss und auch die Wellen, die gegen seine Füße liefen. Das dunkle Wasser, das sich auf der Oberfläche zuckend bewegte und begleitet von helleren Reflexen, die allerdings nahe der dichten Schwärze nicht mehr zu sehen waren.
Suko war kein Mensch, der so rasch in Panik verfiel. Hier einsam am Ufer stehend verlor er trotzdem seine Ruhe. In seinem Kopf rauschte es. Er versuchte, die Gedanken in die richtige Reihe zu bekommen, was ihm leider nicht gelang. Zuviel war
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