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1161 - Totentanz in M 82

Titel: 1161 - Totentanz in M 82 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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einer Bioten produzierenden Industrie hätte Atoresk als Fehlkonstruktion zu gelten.
    „Was sollen wir dort?" fuhr Nachor fort.
    „Ich weiß es nicht", antwortete der Bleiche tonlos.
    „Woher kennst du die Absicht der Mächtigen?" erkundigte ich mich, bevor Nachor das Verhör fortsetzen konnte. „Woher weißt du, welches Ziel dein Auftrag bestimmt?"
    Er sah mich an, und diesmal meinte ich, Erstaunen in seinem simplen Gesicht zu lesen.
    „Jedes Geschöpf auf Aitheran kennt Ipotherapes Willen", sagte er. „Kennst du ihn nicht?"
    „Nein", antwortete ich wahrheitsgemäß.
    Er machte ein paar zappelnde Bewegungen mit den dünnen Ärmchen und hätte um ein Haar das Gleichgewicht verloren. Aber er ging mit keinem Wort auf die Ursache seiner Überraschung ein. Statt dessen fragte er, nachdem er den Halt wiedergefunden hatte: „Seid ihr bereit?"
    Waylon Javier gab sich, als ginge das Ganze ihn nichts an. Nachor und ich verständigten einander mit einem kurzen Blick. Es gab anscheinend nichts, womit das bleiche Geschöpf uns hätte zwingen können, ihm zu folgen. Aber wäre uns damit geholfen, wenn wir uns weigerten?
    „Wir sind bereit", sagte ich.
    Atoresk gab ein schmatzendes Geräusch von sich.
    „Folgt mir", trug er uns auf. „Der Boden ist trügerisch. Wer vom Pfad abweicht, bleibt im Morast stecken."
     
    *
     
    Es tropfte unaufhörlich von den blassen, tentakelgleichen Strünken der Dschungelpflanzen. Der weiche Boden leistete dem Fuß Widerstand. Das Gehen wurde zur schweißtreibenden Mühe. Die Luft war mit Feuchtigkeit übersättigt und hinderte den Schweiß am Verdunsten.
    Der Pfad war schmal und im Halbdunkel mitunter kaum erkennbar. Atoresk hatte nicht übertrieben, als er uns vor den Gefahren des Weges warnte. Bei einer besonders schwierigen Passage hatte Nachor den Halt verloren. Binnen weniger Sekunden steckte er bis zu den Oberschenkeln im Sumpf. Aus eigener Kraft konnte er sich nicht befreien.
    Wir eilten ihm zu Hilfe und zogen ihn auf festes Terrain. Dabei stellte Atoresk unter Beweis, daß er ungeachtet seines unbeholfen wirkenden Körpers Beachtliches zu leisten verstand.
    Unter anderen Umständen hätte ich die Art seiner Fortbewegung als faszinierend empfunden. Die Kanten der Ringe, von denen sein Hinterkörper umgeben war, griffen in den weichen Boden und schoben ihn vorwärts. Dabei schwang er den Leib hin und her, so daß eine Bewegung entstand, die sich am besten als kriechendes Watscheln beschreiben ließ. Er war uns an Geschwindigkeit keineswegs unterlegen. Im Gegenteil: Manchmal mußten wir ihn bitten, ein wenig langsamer zu tun.
    Mir war unklar, welchem Zweck dieser Marsch diente. Falls es irgendwo in diesem widerwärtigen Dschungel einen Ort gab, an dem Seth-Apophis uns unterzubringen gedachte, so hätte sich eine weniger umständliche Transportweise finden lassen. Es mangelte der fremden Superintelligenz nicht an technischen Mitteln. Was hatte sie vor?
    Wollte sie uns mürbe machen?
    Mir kam zu Bewußtsein, daß wir über Seth-Apophis keinerlei Kenntnisse besaßen. Der Mensch tendierte dahin, unbekannten Gegebenheiten anhand von Analogien Gestalt zu verleihen. So hatten wir uns daran gewöhnt, in Seth-Apophis so etwas wie ES zu sehen - mit ins Böse verkehrten Motiven, Neigungen und Zielen. ES hatte Hilfsvölker; wir selbst waren eines davon. Sein Verhalten gegenüber den Hilfsvölkern basierte auf einem breiten Spektrum von Einstellungen, das von väterlicher Güte bis zu quasigleichberechtigter Anerkennung reichte. ES kommunizierte mit seinen Auftragnehmern. ES erteilte Aufträge, Es nahm Vollzugsmeldungen entgegen, aber auch einem nichtzweckgebundenen Dialog war ES nicht abhold. Nun gut, hatten wir uns gedacht: Seth-Apophis behandelt ihre Hilfsvölker als Sklaven, sie selbst spielt die Rolle des Tyrannen, aber sonst ist alles gleich.
    Der Aufenthalt im Vier-Sonnen-Reich hatte uns eines Besseren belehrt. Die Sooldocks hielten Seth-Apophis für ihre Mentorin, ja sogar für eine Gottheit. Aber die Kommunikation gehorchte fast ausschließlich dem Einweg-Prinzip: Seth-Apophis gab Befehle. Zu einem echten Dialog war es offenbar in der ganzen Geschichte der sooldockschen Zivilisation niemals gekommen.
    Verhielt sich Seth-Apophis auch anderen Hilfsvölkern gegenüber so? Ein schrecklicher Gedanke drängte sich auf: Seth-Apophis, die Einsiedlerin, die von allem Denken und Fühlen ihrer Untertanen Abgeschlossene. Wie mochte es im Bewußtsein eines solchen Wesens aussehen? Es existierte nur

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