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1178 - Die vierte Weisheit

Titel: 1178 - Die vierte Weisheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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die Tür behutsam hinter sich schloß.
     
    *
     
    Als der Schulbus Perry an der Straßenecke ablud, kam Belinda gerade vom Einkaufen nach Hause. Der Junge hatte den ganzen Schultag lang Zeit gehabt, über seine Lage nachzudenken. Seine Geistesabwesenheit war den Lehrern aufgefallen und mehr als einen zu der Bemerkung veranlaßt: „Für dich wird's auch Zeit, daß die Ferien anfangen."
    Perry erkannte klar, daß alle Pläne, die er zur Abwehr des Komplotts entwickeln mochte, bei Belinda anzusetzen hatten. Ihr drohte die größte Gefahr. Gene hatte keinen Hehl daraus gemacht, daß Belinda es zu büßen haben würde, wenn auch nur die Spur eines Verdachts entstand, daß er das Spiel der Gauner nicht mitspielte.
    Er half der Haushälterin beim Auspacken und Verstauen des Einkaufs. Allein das erregte Belindas Verwunderung; denn der Junge hatte sich bisher von allen Verrichtungen, die er als „weiblich" betrachtete - Einkaufen, Kochen, Geschirrspülen, Wäschewaschen - zu distanzieren verstanden. Ihr Instinkt schlug Alarm. Da war etwas nicht so, wie es hätte sein sollen!
    „Belinda, hast du Verwandte, Familie?" begann Perry so unverfänglich wie möglich.
    Belinda verstaute ein Paket Rindfleisch im Kühlschrank.
    „Ja, warum?"
    „Ich habe dich nie darüber sprechen hören", sagte der Junge und tat so, als dächte er darüber nach, wo das Bündel Papierservietten wohl hingehörte.
    „Gibt's nicht viel zu erzählen", murmelte Belinda hinter der offenen Kühlschranktür hervor. „Vater und Mutter wohnen in Clewiston. Meine fünf Brüder arbeiten in den Zuckerrohrfeldern."
    „Clewiston, wo ist das?" wollte Perry wissen.
    „Drunten am Südende von Lake Okeechobee", antwortete Belinda. „'n paar Meilen von Belle Glade."
    „Gehst du sie oft besuchen?" fragte Perry. „Deine Eltern und Brüder, meine ich."
    „Einmal im Jahr fahre ich hinunter", sagte Belinda und wandte sich dem nächsten Paket zu.
    „Wann?"
    „Gewöhnlich um Ende November herum, zu Thanksgiving."
    „Warum nicht öfter. Das ist doch nicht so weit von hier, oder?"
    Sie sah ihn aufmerksam an.
    „Junge, ich arbeite hier", antwortete sie. „Der Colonel ist mein Arbeitgeber, und er und ich haben ein Abkommen darüber, wie viel Urlaub mir pro Jahr zusteht. Ich kann mich nicht einfach ins Auto setzen und losfahren - zumal das Auto mir gar nicht gehört."
    Perry war jetzt voll in Fahrt.
    „Wenn ich Onkel Ken um einen Sonderurlaub für dich bitte?" Seine Augen leuchteten.
    Er sah den Erfolg unmittelbar vor sich. „Würdest du dann fahren?"
    „Wann?"
    „Morgen. Vielleicht heute Abend noch, wenn er frühzeitig nach Hause kommt."
    Belinda marschierte um die Küchentheke herum. Sie deutete auf einen Stuhl. Perry setzte sich gehorsam. Belinda beugte sich zu ihm nieder und legte ihm einen Arm um die Schulter.
    „Warst du schon mal in Clewiston?" fragte sie.
    „Nein, noch nie", beteuerte Perry.
    „Du weißt nicht, wie es dort aussieht. Dort wohnen lauter arme Nigger, in hölzernen Häusern, die auf Stelzen stehen. Wenn es nachts still wird, hörst du unter dem Haus das Viehzeug herumkriechen: Raccoons, Landkrebse, Schlangen - manchmal sogar einen Alligator. Und natürlich jede Menge von Schaben, Asseln, und die werden da unten so groß, daß du von einer einzigen satt würdest, wenn du sie zum Frühstück essen könntest.
    Meine Eltern und meine Brüder wohnen in genau so einem Haus. Meinst du wirklich, es zöge mich dorthin? Oh, ich halte mich streng an das fünfte Gebot: Du sollst Vater und Mutter ehren. Aber ich ehre sie lieber aus der Ferne, verstehst du? Ich schicke ihnen Geld und Geschenke, so gut ich kann. Aber was das Wohnen anbelangt, so bin ich lieber hier, in des Colonels Haus, ohne Viehzeug unter dem hölzernen Boden, mit einem Klimaaggregat in fast jedem Raum. Klar?"
    „Klar", gab Perry niedergeschlagen zu.
    „Und jetzt sag mir, was das alles soll", forderte Belinda ihn auf.
    „Was was soll?" fragte er erschreckt.
    „Du bist offenbar darauf aus, mich loszuwerden. Warum?"
    „Ah, das bildest du dir nur ein." Perry lachte verlegen. „Ich wollte nur mehr über deine Familie wissen, das ist alles."
    Er entwand sich ihrer Umarmung und ging in sein Zimmer. Nachdenklich blickte Belinda hinter ihm drein.
    „Da stimmt doch was nicht!" murmelte sie.
     
    3.
     
    Einer war noch da, der sich dem Zugriff des Induzierten Schuldkomplexes zu entziehen vermochte, obwohl er weder eine Armadaflamme trug noch an einem mangelhaften Gedächtnis litt: Sato

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