1182 - Halloween Man
doch momentan rann kein Regen vom Himmel, und es lief auch kein Wasser hinein.
Dafür war der Boden weicher geworden. Gras wuchs manchmal so hoch wie Schilf, und niedrig wachsendes Buschwerk kratzte an meinen Hosenbeinen.
Jane hatte den Ort mit den Bäumen schon vor mir erreicht und wartete dort auf mich. Sie wirkte angespannt, und ihr Gesicht war blass.
Ich blieb vor ihr stehen und schaute zu, wie sie sich eine blonde Strähne aus dem Gesicht strich.
»Probleme?«, fragte ich leise.
»Nein, nicht direkt.«
Ich glaubte es ihr nicht und fragte weiter. »Hier soll dieser Halloween Man gelegen haben?«
»Laut Lady Sarah schon.«
»Sehen denn so Gräber aus?«
»Ich weiß es nicht, John.« Auch sie war unsicher und nagte an ihrer Unterlippe.
Zwischen uns entstand eine Schweigepause. Es war ein einsamer Flecken Erde, auf dem wir uns aufhielten. Von aller Welt verlassen, aber es gab trotzdem noch einen Fixpunkt.
Die alte Ruine stand auf einem kleinen Hügel mitten in der Landschaft, und sie war es, die jeden Ankömmling schon aus der Ferne her grüßte. Ich kannte nicht mal den Namen des Gemäuers und fragte meine Partnerin danach.
»Das kann ich dir auch nicht sagen.«
»Hatte der Halloween Man denn eine Beziehung zu diesem alten Gemäuer?«
»Davon hat mir Lady Sarah nichts gesagt.«
»Dann hat sie nicht eben optimal recherchiert.«
»Sag ihr das.«
»Werde mich hüten.«
Beide hatten wir das angebliche Grab noch nicht gesehen. Wir standen zwischen den Stämmen der Birken, die ständig ihre Blätter verloren, und auch die Büsche nahmen uns die Sicht.
Diesmal übernahm ich die Vorhut. Sollten wir hier nichts entdecken, dann stellte sich die Frage, ob es nicht besser war, wieder nach London zurückzufahren. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sich die Dämmerung über das Land legte und wir wie Halbblinde durch eine Gegend irren würden, die keiner von uns kannte.
Meine Arme schaufelten die sperrigen Zweige zur Seite. Der Weg wurde einigermaßen frei. Der Boden blieb so weich, und das Gelände senkte sich noch mehr.
Ich blieb so hastig stehen, dass Jane gegen mich prallte, weil sie nicht schnell genug hatte stoppen können. Zum Spaß hatte ich nicht angehalten, denn jetzt sahen wir, wonach wir gesucht hatten und mussten einsehen, dass es stimmte.
Es gab dieses Grab, oder es hatte es gegeben. Jetzt sahen wir nur die aufgewühlte Erde am Boden liegen, wobei nicht zu erkennen war, ob jemand von unten her aus dem Grab gestiegen war oder man es aufgebrochen hatte. Dicke Klumpen mit Grassoden darauf waren aus dem Boden geholt und zur Seite geworfen worden. Einige waren wieder zurückgefallen. Innerhalb der grünen Umgebung sah das alte Grab aus wie eine braune Insel.
Jane Collins pfiff durch die Zähne. Sie wollte mir beweisen, dass sie und Sarah Recht gehabt hatten.
Sie sprach nicht, aber sie schaute mich von der Seite her mit dem Wassagstdujetzt?-Blick an.
»Da scheint einiges zu stimmen.«
»Ich glaube daran, John.«
Ich räusperte mich. »Einfach ist das nicht. Diese Gruben kann es überall geben. Hier kann jemand etwas ausgegraben oder auch vergraben haben. Es muss nicht unbedingt ein Zombie aus dem Grab gestiegen sein.«
»Nein, muss nicht. Aber kann durchaus, wenn wir daran denken, was uns Sarah gesagt hat.«
»Auch sie ist nicht allwissend.«
»Hört sich an, als hättest du keine Lust, irgendwelche Nachforschungen zu betreiben, John.«
»Soll ich ehrlich sein?«
»Ich bitte darum.«
»Ich habe auch keine Lust.«
»Bist du müde?«
Diesmal musste ich lachen. »Nein, aber ich weiß nicht. Irgendwie komme ich mir vor wie jemand, der einem Phantom nachjagt. Meine Güte, hier hat jemand gegraben. So etwas kann es überall geben. Warum sollte ausgerechnet hier…«
»Aber mit einer anderen Vorgeschichte, John. Ich kenne Lady Sarah. Sie sagt nicht irgendetwas nur daher. Genau das müsstest du auch wissen. Wir haben da unsere Erfahrungen machen können.«
Ich trat einen Erdklumpen zur Seite.
»Genau deshalb bin ich auch noch hier.«
»Das lässt hoffen.«
Ich ließ die Antwort offen und ging um die »Grabstelle« herum. Was war sie? Tatsächlich ein Grab?
Oder nur ein Loch, das jemand aus irgendwelchen Gründen geschaufelt hatte?
Ich wusste es nicht. Ich hatte keine Ahnung. Alles, was wir annahmen, war reine Spekulation, obwohl wir uns schon öfter auf Sarahs Aussagen hatten stützen können.
Ich sah sie noch vor mir, wie sie versuchte, uns zu überzeugen. Wie sie drängte,
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