1182 - Halloween Man
Dunst lag über dem Boden, aber es war noch alles zu erkennen, und auch der Weg zur Ruine würde gut zu finden sein. An den Rückweg dachte ich jetzt noch nicht.
»Fahren wir, John?«
»Alles klar.«
Ich hatte die Antwort so locker gegeben, aber in meinem Innern sah es anders aus, denn ich dachte daran, dass Lady Sarah mit ihren Befürchtungen durchaus Recht haben konnte…
***
Das war kein Film. Das war keiner, der sich verkleidet und einen Spaß gemacht hatte, das war die Realität. Die verfluchte und auch widerliche Wahrheit, mit der Claudia konfrontiert wurde, und sie war nicht mehr in der Lage, sich zu bewegen, so blieb sie ebenso starr stehen wie die düstere Gestalt vor ihr.
Auch ihr Gehirn machte nicht mehr mit. Irgendetwas in ihm war eingefroren, aber die Sehkraft hatte nicht gelitten. So konnte Claudia die Gestalt trotz des Nebels erkennen, da sie nur zwei Schritte von ihr entfernt stand.
Der Helm, die Kleidung, die teilweise sogar aus einer Rüstung bestand, die Waffe, die ins Mittelalter passte, denn sie war so etwas wie ein Morgenstern, nur dass sich an ihrem Ende keine Kugel befand, sondern einfach die verdammten Spitzen, die in verschiedene Richtungen zeigten.
Das war für sie alles nicht mehr nachvollziehbar. Hier hatte der Spaß längst die Grenze überschritten. Hinter ihr lag Mirco Simco tot auf dem schmutzigen Boden, und vor ihr stand dessen Mörder.
Da war sie sich ganz sicher.
Der erste Schock war vorbei. Und damit auch der Moment, in, dem sie sich gewünscht hatte, tot oder bewusstlos zu sein. Sie schaffte es sogar, sich auf das Gesicht zu konzentrieren, denn das war in der Nebelsuppe besser zu erkennen.
Claudia sah sogar, dass sie kein normales Gesicht unter dem Helm vor sich hatte. Dieses hier war so glatt, und die Haut erschien ihr sehr dünn. Sie musste gestrafft über die vorspringenden Knochen gestreift worden sein.
Plötzlich erwischte sie ein Adrenalinstoß. Hitze schoss durch ihren Körper, und der Puls begann wieder zu rasen. Die Welt um sie herum drehte sich. Oder waren es nur die Nebelschwaden, die kreisten?
Claudia bewegte sich, ohne selbst etwas dazu getan zu haben. Sie war froh, Widerstand im Rücken zu spüren, und an der Außenmauer des Kiosks sank sie zu Boden, um auf ihm schließlich hocken zu bleiben.
Es war alles so anders geworden. So schrecklich. Die Welt hatte sich brutal verändert. Sie kam sich vor wie jemand, der vom Himmel in die Hölle gezerrt worden war, und jetzt durchlebte und durchlitt sie diese verfluchte Hölle.
Ihre Augen standen weit offen. Sie schaute in den Nebel und in die Dunkelheit, aber sie sah nichts.
Kein Halloween Man stand vor ihr. Der Dunst musste ihn einfach aufgelöst haben, aber so einfach wollte sie es sich nicht machen.
Es gab ihn.
Es gab den toten Mirco.
Das hatte sie sich nicht eingebildet. Es entsprach alles den Tatsachen. Es gab keine Einbildung, ebenso wie es keine Einbildung war, dass sie hier auf dem Boden hockte und die Hände vor das Gesicht geschlagen hatte.
Sie veränderte ihre Haltung so lange nicht, bis sie den Klang von Schritten hörte. Der Nebel nahm ihnen einiges von ihrer Lautstärke. Sie fürchtete sich vor diesen Geräuschen, und eigentlich hätte sie schreiend aufspringen müssen.
Es war ihr gleichgültig. Sie blieb auf dem feuchten und kalten Boden hocken. Sollte das verdammte Monstrum doch kommen und zuschlagen, es war ihr alles egal.
»He, Kleine…«
Sie hatte eine Stimme gehört. Die Stimme eines Mannes und nicht die eines Monsters. Traum oder Wirklichkeit?
Es war die Realität, denn kurz darauf spürte Claudia die Berührung an ihrer Schulter.
»Was ist denn?«
Erst allmählich dämmerte ihr, dass nicht das Monster zurückgekehrt war, sondern ein normaler Mensch, der sich auf die Suche gemacht hatte. Sie öffnete die Augen, und die gebückt vor ihr stehende Gestalt kam ihr nicht mehr so schlimm vor.
Es war nicht der Halloween Man, sondern ein Mensch, den sie kannte. Er hieß Frank Evans und war der Busfahrer. Jetzt hockte er vor ihr und lächelte etwas zurückhaltend.
»He, was machst du hier?«
»Wie?« Claudia schüttelte den Kopf und sah aus wie jemand, der die Frage nicht verstanden hatte.
»Ich wollte mich nur erkundigen, was du hier machst. Das ist alles. Du bist Claudia, nicht wahr?«
»Ja, bin ich.« Sie hatte automatisch geantwortet.
»Wir warten auf dich.«
»Ich weiß.«
»Warum kommst du nicht zurück?«
Claudia Black starrte ins Leere. »Er ist tot!«, flüsterte sie
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