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1184 - Der Weg der Flamme

Titel: 1184 - Der Weg der Flamme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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seinen Konturen anpaßte.
    Er räusperte sich. „Was ich damit sagen will... Wir Unsterblichen sind Fossilien. Wir haben unseren Ursprung in einer Zeit, die die Terraner von heute nur aus den historischen Dateien der Lerncomputer kennen. Wir sind nicht stehengeblieben. Wir haben gelernt, Neues erworben und Altes vergessen, aber im Kern unseres Wesens sind wir noch immer Kinder des zwanzigsten Jahrhunderts.
    Die Terraner des Jahres 427 NGZ erscheinen mir manchmal so fremd wie die Bewohner eines anderen Planeten. Wir sprechen die gleiche Sprache, kämpfen für die gleichen Ziele, aber etwas trennt uns. Die Zeit. Diese zweitausend Jahre, die hinter mir liegen."
    „Wußtest du nicht, daß du einen Preis bezahlen mußt?" fragte Vishna. Ihre Stimme klang kühl, doch hinter der Kühle verbarg sich Sympathie. „Jeder, der unsterblich wird, hat diesen Preis zu entrichten. Das ewige Leben bringt den Verlust der Heimat, der Zugehörigkeit zu seinem Volk, der Teilnahme am normalen Leben seiner Mitmenschen mit sich."
    Etwas wie Spott blitzte in den dunklen Augen der Kosmokratin auf. „Aber du bist noch zu jung, um den Preis schon in voller Höhe bezahlt zu haben. Zweitausend Jahre sind kein Alter. Es dauert noch eine Weile, ehe du den Preis entrichten mußt. Schau dir Atlan an.
    Wie alt ist er jetzt? Zwölftausend Jahre, dreizehntausend? Und wieviel davon hat er in seiner unterseeischen Kuppel auf der Erde verschlafen? Den Großteil, nicht wahr? Aber trotzdem - er ist Arkonide, aber was hat er noch mit den Arkoniden gemein? Nichts bindet ihn mehr an M13, an die Heimat seiner Ahnen und Enkel. Die Terraner haben ihm eine Ersatzheimat geschenkt, aber spürst du nicht, wie wenig sie ihm noch bedeutet?
    Atlan ist im Kosmos zu Hause. Planeten und Völker sind für ihn nur Zwischenstationen.
    Bindungen, die heute gelten, können morgen schon gelöst sein."
    Bull sah sie an. „Du meinst, uns wird es genauso ergehen?" fragte er heiser. „Du meinst, daß wir uns eines Tages von der Menschheit und Terra, vielleicht sogar von der Milchstraße lösen werden, eine Kaste von Unsterblichen, nur sich selbst verantwortlich und den Zielen, die sie sich gestellt haben? Wanderer durch Zeit und Raum, für die ein Planet nur ein Sprungbrett zu anderen Planeten darstellt, sonst nichts?
    Entwurzelt, nicht wahr?" sagte er. „Das bedeutet es, unsterblich zu sein - man ist entwurzelt. Der feste Grund, auf dem man steht, löst sich auf, und was übrigbleibt, ist die Unendlichkeit."
    Vishna legte ihm eine Hand auf die Schulter. „Nicht ganz", antwortete sie. „Du beginnst die Wahrheit zu ahnen, aber du siehst sie noch verzerrt.
    Was dir jetzt als Entwurzelung erscheint, wird sich vielleicht eines Tages als neuer Grund erweisen, fester und sicherer als der, den du verlassen hast."
    Bull tastete unwillkürlich nach seinem Zellaktivator, dem schwarzen Ei, das an der unzerreißbaren Kette an seiner Brust hing und dem Körper verwehrte, zu altern und zu verfallen. „Nein", sägte er fast scharf. „Sollte es jemals dazu kommen, dann erst in Jahrtausenden. Wir sind noch zu sehr in der Menschheit verwurzelt. Der Boden, auf dem wir stehen, ist noch so solide wie Arkonstahl. Und die Menschheit braucht uns. Sie wird uns noch lange Zeit brauchen."
    „Aber vielleicht", wandte Vishna ein und schob ihr Gesicht dicht an seines, so daß er ihren Atem riechen konnte, der frisch und süß war wie Pfefferminze, „vielleicht werdet ihr woanders dringender gebraucht..."
    Dann lachte sie leise auf, erhob sich und verschwand mit zwei, drei raschen Schritten durch das Schott, das ins Innere der SYZZEL führte. „Verdammte Hexe", knurrte Bull.
    Mit der Hand fuhr er durch sein rotes Haar, das wie seit Jahrtausenden streichholzkurz geschnitten war. Mit leisem Unbehagen fragte er sich, ob sein Festhalten an dieser Frisur vielleicht ein Ausdruck seiner Sehnsucht nach unveränderlichen Dingen war. Aber das einzige Unveränderliche, das es für einen Unsterblichen gab, war sein Leben, bis auch dieses Leben erlosch, in fernster Zukunft, wenn die letzte Sonne erkaltete, oder früher, falls man es ihm gewaltsam nahm. Ärgerlich schüttelte er den Kopf.
    Es gab wichtigere Dinge, um die er sich kümmern mußte. Dieses Philosophieren führte zu nichts. Unsterblichkeits-Melancholie. Wie er schon gesagt hatte, jeder kannte sie, jeder von seinen Freunden, die ihn durch die Jahrhunderte und Jahrtausende begleiteten. Selbst Perry blieb nicht davon verschont. Oder womöglich traf sie ihn

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