119 - Satanische Klauen
Macon und die Fremde blickten ihn
erwartungsvoll und mit einem bösen Grinsen an.
Raoul Valeau stand in die Ecke gedrängt, die Augen vor Schreck und Entsetzen weit aufgerissen und
unfähig, auch nur ein Wort zu sagen.
●
Larry nahm die Situation, die seine
Aufmerksamkeit aufs äußerste erregte, scheinbar gelassen hin.
„Ah, wie ich sehe, haben Sie in der
Zwischenzeit Besuch bekommen“, sagte er heiter.
„Ein Besuch, der auch Ihnen gilt.“ Die
dunkle, rauchige Stimme Juliette Macons schien von ganz weit herzukommen, eine
beunruhigende Stimme.
Larrys Blick wanderte zu der kichernden, ein
wenig gebeugt dastehenden Alten. Es gab ihm einen Stich ins Herz, als er es
entdeckte.
Es bestand zwischen ihr und dem Regisseur
nicht die geringste Ähnlichkeit, und doch wurde er beim Anblick dieser böse
dreinschauenden Person sofort an Henry Valeau erinnert.
Dazu gab es nur einen Grund: wie Valeau trug
sie den linken Arm in einem Verband, und es war deutlich zu sehen, daß sich
darunter keine Hand befand.
Die rechte Hand war ebenfalls umwickelt. Nur
der Daumen blickte heraus. Drei Finger dieser Hand - fehlten - wie bei Henry
Valeau.
„Ja, wir haben uns schon auf Sie gefreut“,
krächzte die Alte, und ihre glühenden Augen musterten ihn von Kopf bis Fuß.
„Ich glaube, daß es an der Zeit ist, Ihren Nachforschungen ein Ende zu
bereiten. Oder denken Sie, ich hätte zu meinem Vergnügen alles geheimgehalten,
daß es nachher von einem Trottel doch noch bekanntgemacht würde?“
„Sie sind - Henry Valeau“, stellte Larry
scharf fest.
„Stimmt. Ein bißchen verändert vielleicht.
Von Valeau wollen wir nicht mehr reden. Sein Körper war nur ein
Übergangsstadium für mich. Er hat die Brücke geschlagen. Er ahnte, was
passieren konnte, aber im tiefsten Grund seiner Seele hat er doch nicht daran
geglaubt. Mit ihm passiert, was ich prophezeit habe. Die Glieder werden ihm
abfallen, er wird bei lebendigem Leibe verfaulen und nichts mehr von sich
wissen.“
„Die bösen Gedanken der Unbekannten“,
murmelte Larry. „Sie ist zurückgekommen. Sie sind - die Unbekannte.“ Zeit
gewinnen! hämmerten seine Gedanken.
„Valeau öffnete das Grab. Von dieser Minute
an war er verloren. Ich fühlte meine Kräfte zurückkommen. Mein Geist ergriff
Besitz von ihm. Meine Gedanken brachten das Grauen.“
„Zunächst nur als Versuch“, murmelte Larry,
dem immer mehr klar wurde. „Monsieur Sige war das erste Opfer ...“ „Ja. Es war
schön, die aufwachenden Kräfte zu spüren. Sige lief mir in den Weg. Beim
zweiten Mal konnte ich meine Gedanken schon besser konzentrieren. Die Kraft
nahm zu. Ich jagte Raoul Valeau und das Mädchen. Ihre Ängste taten mir gut. Ich
hätte sie töten können. Aber ich hatte Zeit. Ich wußte, sie würden mir nicht
entkommen. Niemand wird mir entkommen. Vernichten, auslöschen, ich will
triumphieren.“
„Wer bist du?“
„Ich habe keinen Namen. Man hat mir nie einen
gegeben.“
„Warum starb Antoinette?“
„Weil ich sie davonlaufen sah. Da fühlte ich
mich zum erstenmal richtig frei und mächtig. Sie lief mir genau in die Arme.
Ich bin das Böse, das absolut Böse...“
„Niemand ist absolut Böse. Auch du nicht. Du
hast versucht, deine Seele zu retten. Dein Geist ist gespalten. Der Geist, mit
dem du stets die Puppe erfülltest - das ist dein wahres, dein anderes Ich.
Besinne dich darauf!“
Zuerst antwortete ihm ein häßliches Lachen,
dann die brüchige Stimme der Alten. „Ich sehe, du hast Mosaiksteinchen zu
Mosaiksteinchen gefügt und erkennst schon die Umrisse des Bildes. Ich könnte es
dir ganz zeigen, aber ich will nicht. Es ist schön zu wissen, daß du sterben
wirst mit Ungewißheit und halben Wahrheiten.“
Während die eisige Stimme aus dem
verschrumpelten Mund der Alten sprach, ging Larrys Blick immer wieder zu der
schönen Diva, die dem Ganzen teilnahmslos und mit einem stupiden Lächeln auf
den Lippen beiwohnte.
Wußte sie wirklich nicht, worum es ging?
Es sah so aus, als kontrolliere der
satanische Geist der Unbekannten auch ihr Hirn.
Plötzlich kam ihm ein furchtbarer Verdacht.
Er zuckte kaum merklich zusammen. Aber der Alten alias Henry Valeau war dies
nicht entgangen.
In den dunklen Augen verstärkte sich das
Unheimliche Glühen.
„Du hast einen klugen Kopf“, bekam er
kichernd zu hören. „Schade, daß es ihn bald nicht mehr geben wird. Sie wird
mein neuer Körper, und niemand wird mich erkennen. Ich werde mich - wie damals -
unter den Menschen
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