1196 - Die Macht der Druidin
und endete an einem Durchgang. Dahinter lag, das sah ich schon aus einer gewissen Entfernung, ein großer Raum.
Ich ging auf Zehenspitzen weiter.
Ganz lautlos schaffte ich das nicht. Bei den Bewegungen schabte meine Kleidung.
Ich näherte mich dem Durchgang und damit auch dem Licht, das nicht von der Decke fiel, sondern vom Boden her in die Höhe stieg, was mich wunderte.
Ich ging bis zum Ende des kurzen Flurs und schaute in den wirklich großen Raum.
Ja, das Licht wurde vom Boden abgegeben. Dort standen vier Lampen und bildeten die Enden eines Rechtecks. Es waren keine Totenleuchten, obwohl sie gepasst hätten, denn innerhalb des Rechtecks stand ein Tisch, und darauf lag jemand.
Es war ein Mann.
Und er war tot!
Ich hatte es mir gedacht. Ich war deshalb auch nicht überrascht. Mich störten nur die Umstände.
Wenn jemand zu Hause starb, dann meistens im Bett. Dann wurde er nicht auf diese Art und Weise aufgebahrt, wie es hier geschehen war.
Von vier verschiedenen Seiten drang das Licht auf den Toten zu und bedeckte ihn teilweise mit seinem Schein. Auch das Gesicht wurde nicht verschont. Es zeigte starre und harte Züge.
Ich spähte durch die Halle, ohne jemand zu sehen. Sie war leer, bis auf den Toten. Es gab auch keine Möbelstücke, was mein Misstrauen noch verstärkte, und ich sah auch keine Spur von den vier Leichenträgern.
Ich ging langsam weiter. Diesmal konzentrierte ich mich nicht nur auf die Leiche. Ich ließ meine Blicke durch den Raum schweifen und glaubte, im Hintergrund den Umriss einer Treppe zu sehen, die nach oben führte.
Je näher ich auf den Toten zuschlich, umso intensiver nahm ich den mir entgegen wehenden Geruch wahr. Es war kein Leichengeruch, kein Verwesungsgestank, sondern ein Duft oder Aroma, das eigentlich nicht hierher passte.
Parfüm…
Ja, ein schweres und süßliches Parfüm. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass es von Männern benutzt wurde, aber der Geruch lag zwischen den Wänden.
Oder hatte man den Toten damit eingerieben?
Ich ging noch einen langen Schritt nach vorn und hatte danach das Innere des Rechtecks erreicht.
Jetzt lag die Leiche praktisch zum Greifen nahe vor mir.
Man hatte sie auf einen runden Tisch gelegt, der mich mehr an einen Altar erinnerte. Es lag keine Decke unter ihm, die Leiche berührte den dunklen Marmor.
Man hatte sie auch in keiner unnatürlichen Haltung hinterlassen. Der Mann lag auf dem Rücken.
Die Hände hielt er über der Brust zusammengelegt. Seine Augen waren geschlossen, aber der Mund stand noch offen. Nur spaltbreit, und so sah der Tote aus, als würde er nur schlafen und versuchen, noch einmal lange Atem zu schöpfen.
Er trug einen schwarzen Anzug, als hätte er sich für seine eigene Beerdigung angekleidet. Das weiße Hemd stach von dem Schwarz ab. Das alles fiel mir auf, als ich über seinen Körper hinweg nach oben schaute.
Ich sah das Gesicht.
Nein, zuerst den Hals.
Und plötzlich wusste ich, dass ich richtig lag. Dieser Mann war nicht auf natürliche Art und Weise ums Leben gekommen. Man hatte ihn umgebracht.
In seinem Hals steckten drei dünne graue Stäbe.
Mikado mit tödlichem Ausgang!
Das war der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss. Ich wusste selbst, dass es verrückt war, aber wer kann schon seine eigenen Gedanken kontrollieren?
In der Tat waren als Mordwaffen Mikadostäbe benutzt worden. Zumindest hatten sie diese Form.
Ich fand nicht heraus, aus welchem Material sie bestanden. Das konnte Kunststoff sein, aber auch Metall.
Was war hier geschehen?
Noch war ich nicht bis in die unmittelbare Nähe der Leiche herangekommen. Ich nahm auch weiterhin einen gewissen Abstand ein und suchte zunächst diesen großen Raum ab, in dem sich aber kein lebender Mensch - abgesehen von mir - aufhielt.
Komisch…
Kein Laut war zu hören. Stille hielt mich umfangen, und ich kam mir tatsächlich wie ein Gefangener vor.
Wer auch immer, sie lauerten auf mich. Sie hielten sich nur versteckt. Im Hintergrund verborgen, eingepackt in die schwarze Finsternis, die außerhalb der Lichtquelle von nichts durchbrochen wurde.
Kein Geräusch. Keine Tritte. Kein Atmen. Der Tote und ich waren allein.
Man konnte ihn nicht als einen alten Mann bezeichnen, aber schon als einen älteren. Sein Haar hatte die natürliche Farbe verloren und war grau wie Asche geworden. Ein wirklich schmutziges Grau, als wäre es nachträglich noch eingefärbt worden.
Die Nase stach spitz aus dem Gesicht hervor. Darunter sah ich eine dünne bleiche
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