1198 - Varunas Hexenreich
geteilter Meinung sein. Ich habe schon böse und ungemütliche Erfahrungen gemacht. Aber ich lasse mich gern eines Besseren belehren, was mir allerdings nicht leicht fällt, wenn ich den leeren Sarg hier sehe.«
Varuna senkte den Kopf, um in das Unterteil zu schauen. »Ich bin es nicht gewesen.« Wieder hatte sie das erste Wort des Satzes so stark betont.
Darauf ging ich ein. »Aber du weißt, wer die Leiche gestohlen hat, nehme ich an.«
Sie schwieg. Aber sie lächelte. Es sah nicht fröhlich aus. Es wirkte verhalten und auch traurig. Dann zuckte sie mit den Schultern und drehte sich von uns weg.
Suko und ich taten nichts. Wir sprachen sie auch nicht an. Wir ließen sie einfach gehen, was nicht eben unsere Art war, weil wir einfach zu wenig über sie gehört hatten. Aber sie verschwand und drehte sich nicht einmal um.
Wir blieben zurück.
»Nein«, sagte Suko, der in diesem Fall schneller reagierte als ich. »So weit geht die Liebe nun doch nicht.«
Ich blieb noch stehen und fühlte mich auch recht benommen, wenn ich ehrlich sein sollte. Für Suko war es kein Problem, die Tür zu erreichen und im Gang zu verschwinden. Ich hörte seine schnellen Schritte. Sie verstummten allerdings sehr bald. Ein Beweis, dass Suko nur wenige Meter gegangen war.
Ich war nicht erstarrt, doch ich kam mir vor wie jemand, der aus einem gewissen Dämmerzustand erwacht, als ich mir einen Ruck gegeben hatte und Suko nachlaufen wollte. Ich hatte einfach noch zu viele Fragen zu stellen.
Es war nicht mehr nötig. Mein Freund kehrte zurück. Seinem Gesicht sah ich an, dass etwas passiert sein musste.
»Und?«
»Sie ist weg, John. Einfach weg. Wie vom Erdboden verschwunden oder wie hineingetaucht. Man kann auch sagen, dass sie sich in Luft aufgelöst hat.«
Ich sagte nichts und hielt nur dem Blick meines Freundes stand. Ich las darin so etwas wie einen Vorwurf. Wenn ich ehrlich war, dann musste ich zugeben, dass mich diese Varuna tatsächlich auf eine gewisse Art und Weise fasziniert hatte. Es war ihr nicht gelungen, die Kontrolle über mich zu bekommen, aber sie hatte es geschafft, mich abzulenken und irgendwie in ihren Bann zu ziehen.
»Jetzt bist du an der Reihe«, sagte Suko.
Ich hob nur die Schultern…
***
Varuna kehrte nicht zurück, und auch der Sarg blieb leer. Dafür trafen die Beerdigungsgäste ein.
Kollegen von Kelly O'Brian, aber keine Verwandten.
Wir trafen auch Robin Clear wieder, der sich in einen dunklen Anzug gezwängt hatte. In der Hand hielt er eine gelbe langstielige Rose, und er merkte sehr schnell, dass etwas nicht stimmte und in die Leichenhalle eingebrochen worden war.
Er wollte natürlich eine Erklärung und bekam sie von meinem Freund Suko. Ich stand daneben, hörte zu und sah, dass Robin blass wurde.
»Nein, das kann nicht sein. Sie erzählen mir was. Wer stiehlt denn Leichen?«
»Das wissen wir nicht, Mr. Clear. Aber wir werden den Dieb finden, verlassen Sie sich darauf. Sagen Sie Ihren Freunden und Kollegen, dass die Beisetzung ausfällt.«
Er wollte es noch immer nicht glauben und wandte sich an mich. »Stimmt das?«
»Leider entspricht es der Wahrheit.«
Robin Clear ballte die Hände zu Fäusten. »Aber wer tut das denn, verdammt noch mal? Wer ist so abgebrüht und klaut eine Tote? Kennen Sie diese Perversen? Sicher, klar, Sie haben ja damit zu tun. Bestimmt die verfluchten Satanisten, dieses Pack, das dem Satan dient und…«
»Beruhigen Sie sich, Mr. Clear«, sprach ich mit leiser Stimme auf ihn ein. »Es ist nun mal passiert, und wir können es leider nicht ändern.«
»Das vor Ihren Augen, wie?«
»Nein, Mr. Clear. Als wir eintrafen, war Kelly O'Brians Leiche bereits verschwunden. Sonst hätten wir schon eingegriffen, das können Sie mir glauben.«
»Wenn Sie das so sehen, haben Sie schon Recht.« Er holte ein Tuch aus der Tasche und wischte damit über seine Stirn. Trotz der Kälte war er ins Schwitzen geraten. »Dann werde ich den anderen Leuten hier sagen, dass sie wieder gehen können.«
»Tun Sie das.«
Er hatte es schwer. Man wollte ihm nicht glauben. Deshalb unterstützten Suko und ich ihn. Man hörte uns schon zu, doch in den meisten Augen nistete der Unglaube. Niemand wusste so recht, wie er sich verhalten sollte.
Ich sagte ihnen natürlich nicht die ganze Wahrheit. Dass es einen Leichendieb gab, reichte aus, auch wenn man mir nicht so recht glauben wollte.
Dann überließ ich sie ihren Diskussionen. Einen Pfarrer hatten wir nicht gesehen, aber ich sah einen
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