1198 - Varunas Hexenreich
und das wird nicht einfach sein. Der Wald ist ein regelrechter Urwald. Man lässt ihn wachsen. Da gibt es auch keine Campingplätze, und die Wege sind zugewuchert. Naturschutzgebiet. Man kann wohl an den Rändern entlanggehen, aber im Innern sieht es düster aus. Das im wahrsten Sinn des Wortes.«
»Der Wald wird demnach von keinem Menschen betreten? Ohne Ausnahmen? Das glaube ich nicht.«
»Die gibt es natürlich. Waldarbeiter und auch der Förster. Der kommt dann extra aus der Umgebung von Canterbury. Ansonsten sind die Woodlands tabu.«
»Was ist mit Erholungssuchenden im Sommer?«
»Die dürfen auch nicht rein.«
Ich lächelte. »Aber heimlich schon.«
»Davon weiß ich nichts.«
Es war ihm anzusehen, dass er log. Deshalb ließen Suko und ich auch nicht locker.
Kinlay rückte schließlich damit heraus, dass Einheimische das Gelände doch hin und wieder betreten. Auch Liebespaare verschwanden mal.
»Und die Pärchen sind alle wieder zurückgekehrt?«, erkundigte ich mich.
»Klar.«
»Sonst hast du niemand gesehen?«
Er sah an uns vorbei. »Es gibt da so einige Gerüchte, aber niemand weiß etwas Genaues.«
»Wunderbar«, sagte ich. »Gerüchte lieben wir!«
»Na ja.« Er war etwas verlegen und wusste nicht, wohin mit seinen Händen. »Ich kenne Leute, die behaupten, dass der Wald verhext ist. Wie auch immer.«
»Toll. Durch wen? Durch Hexen?«
Das »Kann sein« quälte er sich über die Lippen.
»Weißt du mehr?«
»Nicht direkt. Es soll in den Nächten mal ein Feuerschein im Wald gesehen worden sein. Aber abgebrannt ist nichts. Das muss dann mehr ein Lagerfeuer gewesen sein.«
»Waren es welche aus dem Ort?«
»Nein, das sagte ich doch. Da traut sich keiner tief hinein. Selbst die Forstarbeiter bleiben lieber an den Rändern. Da ist irgendwas in der Mitte. Ihr kommt mit dem Wagen nicht hin. Man muss schon zu Fuß gehen.«
Das würden wir auch tun, und wir hatten die entsprechenden Schuhe bereits angezogen. Sie reichten bis über die Knöchel hinweg und boten so eine gute Stütze. Auch die dicken Sohlen gaben Halt, und unsere Jacken waren auch für eine Wanderung geeignet.
»Hast du denn gesehen, dass Fremde die Woodlands betreten haben?«, erkundigte sich Suko.
»Nein, nicht ich. Man hat mal welche am Rand gesehen. Sollen wie Frauen ausgesehen haben. Frauen in dunkler Kleidung. Es wurde auch mal Musik gehört. Flötenmusik.«
»Das ist doch schon was«, sagte mein Freund und setzte, eine Frage nach. »Was ist mit den Lampen?«
»Gut, ich hole sie.«
Er schloss den Laden auf. Wir gingen ihm nach und betraten einen sehr großen Raum, der mit allerlei Kram vollgestopft war. Von Lebensmitteln in Dosen und Tuben bis hin zu Kleidungsstücken war fast alles vorhanden, was ein Mensch benötigte.
Die Lampen lagen in einem Regal aus Metall. Wir suchten uns handliche und auch lichtstarke aus.
Sogar zum Kauf von Proviant ließen wir uns überreden. Es waren Dauerwürste, die in unseren Taschen verschwanden. Taschenmesser hatten wir mitgenommen, und Kinlay fragte noch, ob wir ein Zelt kaufen wollten, falls wir uns verliefen und übernachten mussten.
Darauf verzichteten wir.
»Der Wald ist auch am Tage recht finster«, erklärte uns Kinlay beim Verlassen des Geschäfts.
»Nur gut, dass wir keine Angst haben«, sagte ich und lächelte. »Wir packen das schon, kein Sorge.«
»Okay.«
Ich hatte noch eine Frage. »Und du hast wirklich keine Fremden gesehen, die den Wald betreten haben? Es kann ja sein, dass die eine oder andere Person bei euch eingekauft hat.«
»Nein, habe ich nicht.«
»Gut. Das ist es fast schon gewesen. Jetzt brauchen wir nur noch die Wegbeschreibung.«
Die gab er uns. Sie war mehr als simpel. Wer sich dabei verfuhr, musste blind sein. Wir würden mit dem Wagen bis zur Hütte kommen. Danach war es dann vorbei mit der Herrlichkeit..
Kinlay schaute uns nach, als wir starteten. Seine Gesichtsmimik zeigte einen Anflug von Trauer. Es war nicht schwer herauszufinden, dass er wohl um uns trauerte.
Wahrscheinlich waren wir für ihn schon jetzt so gut wie gestorben…
***
Es war ein Kinderspiel, die richtige Strecke zu finden, aber der glatte Boden oder der Asphalt hatte uns verlassen. Es war ein normaler Verkehrsweg für landwirtschaftliche Fahrzeuge geworden und nicht eben eine Wohltat für unseren Rover.
Der Wald lag vor uns, war aber noch nicht in unserer unmittelbaren Nähe. Er lag auch nicht flach, sondern bildete eine leicht hügelige Landschaft aus dichten Bäumen.
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