12 - Im Auge des Tigers
Kaffee…?«
»Das nennst du Kaffee? Wahrscheinlich kriegst du sogar in Kuba besseren«, bemerkte Brian. »Dagegen schmeckt ja sogar das Zeug aus den Feldrationen noch richtig gut.«
»Nichts ist vollkommen, Aldo«, sagte Dominic, dem der Kaffee allerdings ebenso wenig zusagte.
»Wann soll’s losgehen? In einer halben Stunde?«, fragte Jack. Er selbst hätte in drei Minuten fertig zum Aufbruch sein können.
»Wenn du bis dahin nichts von mir hörst, kannst du einen 586
Krankenwagen rufen«, entgegnete Enzo. Er ging ins Bad und hoffte, die Duschgötter möchten ihm an diesem Morgen gnädig gesinnt sein. Das war wirklich nicht gerecht, fand er. Seit wann bekam man vom Autofahren einen Kater?
Dennoch fanden sich alle drei 30 Minuten später im Foyer ein, adrett gekleidet und mit Sonnenbrillen, um die Augen gegen die gleißende Sonne Italiens zu schützen. Dominic erkundigte sich beim Türsteher nach dem Weg, worauf dieser zur Via Sistina deutete, die geradewegs zur Kirche Trinitá dei Monti führte. Die Spanische Treppe befand sich unmittelbar gegenüber und führte etwa 25 Meter nach unten. Es gab zwar einen Lift zu der noch tiefer liegenden U-Bahnstation, aber eine Treppe hinunterzugehen war eigentlich keine übermäßige Strapaze. Den dreien fiel auf, dass die Kirchen in Rom so dicht gesät waren wie in New York City die Kioske. Der kurze Spaziergang die Treppe hinunter war richtig schön. Mit dem passenden Mädchen am Arm hätte er sogar etwas ausgesprochen Romantisches gehabt.
Auf der Spanischen Treppe, deren Verlauf der Architekt Francesco De Sanctis der Neigung des Hügels angepasst hatte, wurde jedes Jahr das Mode-Highlight Donna sotto le Stelle veranstaltet. In dem Brunnen am Fuß der Treppe lag ein marmornes Boot, das allerdings bei der Überschwem-mungskatastrophe, an die es erinnern sollte, keine große Hilfe gewesen wäre. Die Piazza di Spagna war eigentlich nur eine Straßenkreuzung und hatte ihren Namen von der spanischen Botschaft am Heiligen Stuhl. D›s ›Spielf‹ld‹ war nicht sehr groß – deutlich kleiner als beispielsweise der Times Square –, aber Autos und Passanten wimmelten hier derart massenhaft und hektisch durcheinander, dass es den Anschein hatte, als riskierten alle Beteiligten pausenlos Kopf und Kragen. Das Ristorante Giovanni befand sich auf der Westseite der Piazza in einem unscheinbaren, gelb und cremefarben gestrichenen Ziegelbau. Davor lag ein großer 587
Essbereich, der durch Markisen gegen die Sonne geschützt war. Im Innern gab es eine Bar, an der jeder Gast eine Zigarette im Mund hatte. Das galt auch für den Polizisten, der dort gerade eine Tasse Kaffee trank. Dominic und Brian gingen kurz hinein, um das Terrain zu sondieren.
»Wir haben noch drei Stunden Zeit, Leute«, sagte Brian.
»Wie soll’s jetzt weitergehen?«
»Wann müssen wir wieder hier sein?«, fragte Jack.
Dominic sah auf die Uhr. »Unser Freund soll gegen halb zwei hier aufkreuzen. Ich würde sagen, wir treffen uns um viertel vor eins zum Mittagessen und sehen dann weiter.
Jack, erkennst du den Kerl wieder?«
»Kein Problem«, versicherte der Junior.
»Uns bleiben also noch etwa zwei Stunden. Ich war vor ein paar Jahren mal in Rom. Prima Einkaufsmöglichkeiten.«
»Ist das dort drüben ein Brioni-Shop?« Jack deutete über die Straße.
»Sieht ganz so aus«, antwortetet Brian. »Ein bisschen Shopping wäre bestimmt nicht schlecht für unsere Tarnung.«
»Dann mal los.« Jack hatte noch nie einen italienischen Anzug besessen. In seinem Kleiderschrank zu Hause hingen lediglich ein paar englische, aus der Savile Row 10 in London. Warum sollte er nicht mal einen von hier versuchen? Als Geheimdienstler führte man schon ein verrücktes Leben, dachte er. Eigentlich waren sie hier, um einen Terroristen umzubringen, aber vorher kauften sie sich noch eben was zum Anziehen. Das brächten nicht mal Frauen fertig –
es sei denn, es ginge um Schuhe.
Tatsächlich gab es in der Via del Babuino – der ›Pavian-straße‹, wie sie zu allem Überfluss hieß – eine ganze Reihe interessanter Geschäfte, die sich Jack fast alle ansah. Italien machte seinem Ruf als Hochburg modischer Eleganz wirklich alle Ehre. Jack probierte ein hellgraues Seidensakko an, das wie auf den Leib geschneidert saß und das er für 800
Euro auf der Stelle kaufte. Anschließend musste er zwar die 588
Plastiktüte mit sich herumschleppen, aber war das nicht sogar eine hervorragende Tarnung? Welcher Geheimagent würde sich
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