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12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem

Titel: 12 - Im Schatten des Grossherrn 01 - Durch Wüste und Harem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Büchse herab und hielt sie ihm entgegen, indem ich mich platt niederlegte.
    „Fasse den Riemen!“
    „Ich habe ihn, Sihdi! O, Allah illa Allah!“
    „Wirf die Beine empor; ich kann nicht ganz hin zu dir. Halte aber fest!“
    Er wandte seine letzte Kraft an, um seinen Körper in die Höhe zu schnellen; ich zog zu gleicher Zeit scharf an, und es gelang – er lag auf der sicheren Decke des Sumpfes. Kaum hatte er Atem geschöpft, so erhob er sich auf die Knie und betete die vierundsechzigste Sure:
    „Alles, was im Himmel und auf Erden ist, preiset Gott; sein ist das Reich und ihm gebührt das Lob, denn er ist aller Dinge mächtig!“
    Er, der Muselmann, betete; ich aber, der Christ, ich konnte nicht beten, ich konnte keine Worte finden, wie ich aufrichtig gestehe. Hinter mir lag die fürchterliche Salzfläche so ruhig, so bewegungslos, so gleißend, und doch hatte sie unsere beiden Tiere, und doch hatte sie unseren Führer verschlungen, und vor uns sah ich den Mörder entkommen, der dies alles verschuldet hatte! Jede Faser zuckte in mir, und es dauerte eine geraume Weile, bis ich ruhig wurde.
    „Sihdi, bist du verwundet?“
    „Nein. Aber Mensch, auf welche Weise hast du dich gerettet?“
    „Ich sprang vom Pferd, grad wie du, Effendi. Und weiter weiß ich nichts. Ich konnte erst dann wieder denken, als ich dort am Rand hing. Aber wir sind nun dennoch verloren.“
    „Warum?“
    „Wir haben keinen Führer. O, Sadek, Freund meiner Seele, dein Geist wird mir verzeihen, daß ich schuld an deinem Tode bin. Aber ich werde dich rächen, das schwöre ich dir beim Barte des Propheten; rächen werde ich dich, wenn ich nicht hier verderbe.“
    „Du wirst nicht verderben, Halef.“
    „Wir werden verderben; wir werden verhungern und verdursten.“
    „Wir werden einen Führer haben.“
    „Wen?“
    „Omar, den Sohn Sadeks.“
    „Wie soll er uns hier finden?“
    „Hast du nicht gehört, daß er nach Seftimi gegangen ist und heute wieder zurückkehren wird?“
    „Er wird uns dennoch nicht finden.“
    „Er wird uns finden. Sagte nicht Sadek, daß der Weg nach Seftimi und nach Fetnassa auf zwei Dritteile ganz derselbe sei?“
    „Effendi, du gibst mir neue Hoffnung und neues Leben. Ja, wir werden warten, bis Omar hier vorüberkommt.“
    „Für ihn ist es ein Glück, wenn er uns findet. Er würde hier hinter uns untergehen, da der frühere Pfad versunken ist, ohne daß er es weiß.“
    Wir lagerten uns nebeneinander am Boden nieder; die Sonne brannte so heiß, daß unsere Kleider in wenigen Minuten getrocknet und mit einer salzigen Kruste überzogen wurden, so weit sie naß gewesen waren. –

ZWEITES KAPITEL
    Vor Gericht
    Obgleich ich die Überzeugung hegte, daß der Sohn des ermordeten Führers kommen werde, konnte er doch statt über den See um denselben herumgegangen sein. Wir warteten also mit großer, ja mit ängstlicher Spannung. Der Nachmittag verging; es waren nur noch zwei Stunden bis zum Abend; da ließ sich eine Gestalt erkennen, welche von Osten her langsam der Stelle nahte, an welcher wir uns befanden. Sie kam näher und näher und erblickte nun auch uns.
    „Er ist es“, meinte Halef, legte die Hände wie ein Sprachrohr an den Mund und rief: „Omar Ben Sadek, eile herbei!“
    Der Gerufene verdoppelte seine Schritte und stand bald vor uns. Er erkannte den Freund seines Vaters.
    „Sei willkommen, Halef Omar!“
    „Hadschi Halef Omar!“ verbesserte Halef.
    „Verzeihe mir! Die Freude, dich zu sehen, ist schuld an diesem Fehler. Du kamst nach Kris zum Vater?“
    „Ja.“
    „Wo ist er? Wenn du auf dem Schott bist, muß er in der Nähe sein.“
    „Er ist in der Nähe“, antwortete Halef feierlich.
    „Wo?“
    „Omar Ibn Sadek, dem Gläubigen geziemt es, stark zu sein, wenn ihn das Kismet trifft.“
    „Rede, Halef, rede! Es ist ein Unglück geschehen?“
    „Ja.“
    „Welches?“
    „Allah hat deinen Vater zu seinen Vätern versammelt.“
    Der Jüngling stand vor uns, keines Wortes mächtig. Sein Auge starrte den Sprecher entsetzt an, und sein Angesicht war furchtbar bleich geworden. Endlich gewann er die Sprache wieder, aber er benützte sie auf ganz andere Weise, als ich vermutet hatte.
    „Wer ist dieser Sihdi?“ fragte er.
    „Es ist Kara Ben Nemsi, den ich zu deinem Vater brachte. Wir verfolgten zwei Mörder, welche über den Schott gingen.“
    „Mein Vater sollte euch führen?“
    „Ja; er führte uns. Die Mörder bestachen Arfan Rakedihm und stellten uns hier einen Hinterhalt. Sie schossen

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